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Berlin: Aus dem Dunkel ins Rampenlicht

Sängerin Joana Zimmer hat die Hitparade gestürmt. Manche sagen, sie sei die Celine Dion aus Berlin

Einer körperlichen Behinderung wird man sich erst im Umgang mit gesunden Menschen bewusst, heißt es. Oft ist man versucht, diese Tatsache als unsägliches Klischee zu verwerfen. Sobald man aber der blinden Sängerin Joana Zimmer begegnet, weiß man, dass sie doch irgendwie zutrifft: Es entsteht ein beklemmendes Gefühl der Unsicherheit, sosehr man sich auch dagegen wehrt. Das liegt allerdings nicht an der gebürtigen Freiburgerin – ganz im Gegenteil: Die 23-Jährige geht mit einer offenen Art direkt auf Menschen zu und fordert damit nur einen normalen, vorbehaltlosen Umgang mit ihr ein. Das wirkt mitunter forsch, verunsichernd und irritierend. Obendrein hat sie einen festen, entschlossenen Händedruck, der so nicht so recht zu ihrer fragil-schlanken Erscheinung passen will.

Joana Zimmer ist von Geburt an blind. Wobei: Richtig blind ist die Wahlberlinerin eigentlich nicht, denn sie kann hell und dunkel unterscheiden, wie sie betont. Diese Beeinträchtigung hat sie dennoch nicht daran gehindert, ehrgeizig ihre Träume zu verfolgen: Sängerin wollte sie werden, seit sie das erste Mal im Alter von acht Jahren Barbra Streisand auf dem Soundtrack zum Film „Yentl“ hörte. „Das hat mich beeindruckt“, sagt sie und ein Lächeln huscht über ihre blassrosa geschminkten Lippen.

Schon kurz darauf fing sie an, Gesangsunterricht zu nehmen. Als Teenager organisierte sie eigene Konzertauftritte, tingelte durch die Bars und Clubs von Berlin. Gelegentlich stand sie im Jazzclub „A-Trane“ in Charlottenburg auf der Bühne und begeisterte die Fans mit ihrer stimmlichen Ausdruckskraft.

Doch das allein genügte ihr nicht. „Ich will mit meiner Musik möglichst viele Menschen erreichen“, sagt sie selbstbewusst. Also nahm Joana Zimmer Modeljobs an oder wirkte als Kleindarstellerin in Produktionen am Hans-Otto-Theater in Potsdam mit. Das dabei verdiente Geld steckte sie in ein Demoband, das schließlich eine große Plattenfirma von ihrem Talent überzeugte: Seit einigen Wochen steht ihre erste CD „I believe“ in den Plattenläden. Mit der Neuauflage eines zehn Jahre alten Stückes der amerikanischen Sängerin Marcella Detroit (Shakespeare Sisters) gehört Joana Zimmer zur Spitze der deutschen Charts: derzeit auf Platz fünf.

Auch wenn die ambitionierte Sängerin jahrelang auf eine Karriere auf der Bühne hin gearbeitet hat, so scheint sie vom plötzlichen Erfolg der letzten Monate doch überrascht zu sein. Mit einer gewissen Ungläubigkeit erzählt sie von ihrem Auftritt in der Sendung „Top Of The Pops“, in der sie zwischen Stars wie Mariah Carey oder 50 Cent auf der Bühne stand. „Das war irgendwie unwirklich, auch wenn sich leider keine Gelegenheit ergab, sie näher kennen zu lernen.“

In Amerika, wo Joana einen Großteil ihrer Kindheit verbracht hat, gebe es die Redewendung „to sing your heart out“. Zu Deutsch bedeutet das etwa so viel wie: sich die Seele aus dem Leib singen. „Genau darum geht es mir.“ Dass ihr das mühelos gelingt, beweist sie mit ihrem Debüt „My Innermost“. 13 Songs umfasst das Werk, das sie nun zur Veröffentlichung im Dunkelrestaurant in Mitte präsentierte. Melancholische Balladen sind auf dem Erstling ebenso vertreten wie schnellere Popsongs, eigens für sie geschriebene Stücke etwa von Gary Barlow (früher Take That) genauso wie Coverversionen ihrer Lieblingshits. Es ist jedoch vor allem die Stimme, die sich während des Hörens der Platte im Ohr festsetzt. Eigen, stark, nachhaltig. Manche bezeichnen sie deshalb als Stimmwunder, andere sehen in ihr die „Celine Dion aus Berlin“.

Joana Zimmer macht sich über solche Dinge keine Gedanken. Sie sei ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen, sagt sie. Im vergangenen Jahr etwa lief sie den Berlin-Marathon, Hand in Hand mit einer Freundin. Die „B.Z.“ kürte sie für diese Leistung auf der Titelseite zur „Siegerin der Herzen“. Und so ist man am Ende eines Gesprächs mit der blinden Sängerin auch nicht mehr darüber verwundert, wenn sie ganz selbstverständlich von ihren Schauspielabsichten erzählt – warum auch?

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