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Ausgefallene Sitzung in Berlin: Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung wegen Personalmangels abgesagt
Die Sitzung der BVV Reinickendorf muss abgesagt werden: Mitarbeiter haben gekündigte, andere sind krank. Ist Reinickendorf ein „Failed Bezirk“?
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Die Tagesordnung der turnusmäßigen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Reinickendorf am Mittwoch war prall gefüllt mit dringenden Themen: Radverkehr in zahllosen Details, Naturschutz, allgemeine Verkehrssicherheit, Beheizung von Dienstgebäuden. Doch nun ist passiert, was vermutlich in Berlin noch nie geschehen ist: BVV-Vorsteherin Kerstin Köppen (CDU) musste die Sitzung im Einvernehmen mit dem Bezirksamt absagen, und zwar aus Personalmangel im BVV-Büro – die sachgerechte Organisation der Sitzung habe sich als unmöglich erwiesen, hieß es.
Das war geschehen: Zwei Mitarbeiterinnen des BVV-Büros hatten mit entsprechender Frist zum Ende September gekündigt, die Büroleiterin befindet sich in einer Kur, und ihre kurzfristig angelernte Vertreterin ist seit Wochenbeginn für mindestens eine Woche krank. Übrig: Ein Azubi und eine Teilzeitkraft. Die BVV hat kein eigenes Personalbudget und kann niemanden einstellen, sie ist angewiesen auf Mitarbeiter, die ihr von der Personalstelle geschickt werden.
Köppen teilt mit, sie habe sich im Februar mit dem für Personal zuständigen Bürgermeister Uwe Brockhausen (SPD) darauf verständigt, eine zusätzliche Person für das BVV-Büro einzustellen. Diese Stelle sei zum 30. Juni ausgeschrieben worden. Dann hieß es aber, die Bewerbungsgespräche könnten wegen der Ferien erst im September stattfinden. Mittlerweile ist ein Bewerber für die Stelle ausgewählt, der jedoch wegen verschiedener Formalien frühestens am 1. Dezember antreten wird. Der Bürgermeister habe zwei Mitarbeiter zur Aushilfe angeboten, die aber fachlich nicht geeignet seien für die Vorbereitung einer BVV-Sitzung.
Der stellvertretende Reinickendorfer CDU-Kreisvorsitzende Stephan Schmidt veröffentlichte eine empörte Pressemitteilung in Richtung des SPD-Bezirksbürgermeisters: Es handele sich um einen „kommunalpolitischen Super-Gau“, schrieb er, „die SPD macht Berlin zu einem peinlichen Failed State, die Republik lacht über die deutsche Hauptstadt“.
Auch die CDU-Fraktion in der BVV stellte sich hinter die Vorsteherin, „zu hundert Prozent“, wie Frank Marten, der haushaltspolitische Sprecher, sagte, „wenn in einem Bezirk mit 270.000 Menschen die Kommunalpolitik zum Erliegen kommt, dann ist das keine Lappalie“. Die Notlage sei seit dem Frühjahr erkennbar gewesen, aber trotz zahlreicher Ankündigungen des Bürgermeisters, Lösungen zu finden, sei nichts passiert. Zum Hilfsangebot des Bürgermeisters sagte Marten, es habe sich um zwei Azubis gehandelt, die bei der Bestuhlung im Ernst-Reuter-Saal hätten helfen sollen, „eine BVV ist aber mehr als Stühlerücken“.
Er verwies weiter darauf, dass die Personalsituation im gesamten Bezirksamt sich weiter verschlechtert habe. So sei die Zahl vakanter Stellen in der Bauabteilung in diesem Jahr sogar von 26 auf 31 gestiegen. In den scharfen Worten der Erklärung seines Parteifreunds Stefan Schmidt klingt das so: „Offenbar ist Herr Brockhausen mit der Führung einer Verwaltung von circa 1700 Mitarbeitenden völlig überfordert.“
Brockhausen hatte das Amt erst nach der letzten Wahl von Frank Balzer (CDU) übernommen. Er stützt sich auf eine Zählgemeinschaft von SPD, Grünen und FDP; diese hatte die Wahl der CDU-Stadträte nach Vorwürfen gegen die CDU-Kandidatin Emine Demirbüken-Wegner um rund drei Monate verzögert. Brockhausen teilte auf Nachfrage mit, es sei typisch nicht nur für das BVV-Büro, sondern generell für kleinere Personaleinheiten, dass durch gleichzeitige Erkrankungen mehrerer Personen Schwierigkeiten entstehen können. „Selbstverständlich wurde auch über die Personalsituation im BVV-Büro schon früher im Bezirksamt gesprochen. Eine wirtschaftlich vertretbare Personalplanung kann aber nicht endlos Personal vorhalten, um allen Unwägbarkeiten bis in die kleinste Einheit vorzubeugen.“
Offen ist bisher, ob die Tagesordnung der ausgefallenen Sitzung nun zusätzlich der nächsten im November aufgeladen wird, oder ob die Bezirksverordneten einen Ersatztermin finden. Der setzt allerdings die Rückkehr einer qualifizierten Fachkraft voraus.
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