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Berlin: Ausgezeichnet und zugemacht

Ministerin ehrt die Kita in der Hagelberger Straße, der Bezirk macht sie dicht

Wie der Zufall doch spielt: Am kommenden Dienstag wird Renate Schmidt, die Bundesfamilienministerin der SPD, dem Kinderhaus am Kreuzberg den bundesweiten Preis des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) für besondere Familienfreundlichkeit übergeben. Etwa zur gleichen Zeit wird der Bezirk wohl letzte Gewissheit schaffen, dass es die inzwischen mehrfach ausgezeichnete Kita in ihrer jetzigen Form ab April nicht mehr geben wird. „Die Kita-Räume werden von der benachbarten Schule gebraucht“, sagt Klaus-Harald Straub, der zuständige Amtsleiter in Friedrichshain-Kreuzberg.

Laut Straub sollen Erzieherinnen und Kinder von der Hagelberger Straße dann auf drei andere Kitas verteilt werden, überwiegend auf das Haus in der Baerwaldstraße. Genau das wollen Eltern und Erzieherinnen verhindern. Sie schätzen besonders das offene Konzept und die langen Öffnungszeiten – von morgens acht bis abends halb neun. Viele Eltern arbeiten in Berufen, in denen lange, flexible Arbeitszeiten normal sind. Die Hälfte von ihnen sind allein Erziehende.

„So wie es sich der Bezirk im Moment vorstellt, kann es nicht funktionieren“, sagt Uta Metschurat, Erzieherin in der Hagelberger Straße. „Wir haben hier 60 Kinder und vierzehn Räume, jeder Raum hat eine andere Funktion.“ Ausruhen, toben, essen, basteln. Es gibt Musik- und Sportunterricht. „Dieses Angebot kann man nicht machen in zwei Zimmern, die wir jetzt vielleicht bekommen sollen.“ Auch die Eltern fürchten, das aus ihrer Sicht ganz besondere Konzept lasse sich nicht erhalten, wenn die Kita in eine andere eingegliedert wird. „Die Kinder bestimmen selbst, mit wem sie in welchem Raum spielen oder ob sie alleine lesen wollen. Und ob sie sich von einer Erzieherin anleiten lassen“, sagt Irmagard Maenner, eine Mutter. „In einer großen Kita ist das unmöglich.“ Ein Vater sagt: „Das ist ein Unterschied wie zwischen Freiland- und Käfighaltung.“ Elternsprecher Ralf Kohfeld verhandelt mit freien Trägern über eine Übernahme.

Proteste gegen Kita-Schließungen regen sich auch in anderen Bezirken. Jüngstes Beispiel: Die Kita Eichbuschallee in Treptow-Köpenick. Auch sie bietet den Kindern mehr Platz und frische Luft als alle anderen Kitas in der Umgebung. Die Eltern schreiben jetzt Protestbriefe, um das Aus zu verhindern.

Marc Neller

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