
© Mike Wolff
Clementine die Erste: „Bäh, ist das eklig! Mama, was hast du denn da gekauft??“
Die Clementinen schmecken nach übler Chemie. Da ruft unsere Autorin in leichter Panik bei der Lebensmittelaufsicht an.
Stand:
Die Lebkuchen stehen ja schon länger in den Geschäften, aber so richtig festlich wird es erst jetzt, da die Weihnachtsmärkte wieder geöffnet sind und die Supermärkte Mandarinen, Clementinen und Orangen anbieten. Speziell die Discounter haben kleine Holzkisten im Angebot, 2,3 Kilo für 2,79 Euro, auch ich nahm eine mit nach Hause. Die Kinder stürzten sich drauf – und eins von ihnen beugte sich bald spuckend über die Spüle. „Bäh, ist das eklig! Mama, was hast du denn da gekauft??“
Ja, was? Sie waren nicht bio, sondern aus Spanien, das hielt ich aber für unbedenklich, die anderen Gegessenen hatten ja geschmeckt, nur die eine – stank nach Chemie, und zwar innen, also das Fruchtfleisch. Aber so richtig! Nach starkem Desinfektionsmittel oder so. Der Sohn hatte ein bis zwei Segmente geschluckt, ich verfiel in Panik. Im Internet stirbt ja immer wer, und siehe: Vergangenes Jahr starb eine Zwölfjährige an einer pestizidbelasteten Clementine. Zwar in Argentinien, aber so weit weg ist das auch nicht, kulturell betrachtet.
Ich rief beim Giftnotruf der Charité an und hing sage und schreibe neuneinhalb Minuten in der Warteschleife. „Bis man bei Ihnen einen dran hat, ist man schon an Vergiftung gestorben“, sagte ich, und die Ärztin am anderen Ende entgegnete, man sei personell unterbesetzt und bekomme Anrufe aus dem ganzen Bundesgebiet. Von Tod durch Mandarinen sei ihr nichts bekannt. Mir als Mutter drohe vielleicht jetzt eine schlaflose Nacht, aber der Sohn werde vermutlich gar nichts bemerken. Vielleicht sei die Clementine ja auch nur verdorben gewesen.
Die Geschwister teilten unterdessen das Erbe auf. Der Neunjährige sagte, er wolle aber mit auf die Beerdigung, falls der große Bruder jetzt sterbe, und außerdem wolle er dessen Gaming PC erben. Die Elfjährige fügte hinzu, sie kriege dessen Zimmer. Alle Außenstehenden rieten dazu, die Clementinen wegzuwerfen. Da fiel mir unser Staat wieder ein. Lebensmittelaufsicht! Dazu hat man die doch!
Am nächsten Morgen rief ich dort an und bekam die Durchwahl des zuständigen Mannes, Veterinärdirektor Dr. B., als Amtstierarzt auch zuständig für die Lebensmittelsicherheit. Ich erreichte ihn um 9 Uhr, schilderte den Fall, wir verabredeten uns für 10 Uhr, pünktlich erschien ich und legte die Obstkiste samt Inhalt, die giftige Frucht, den Kassenbon des Einkaufs (nicht Pflicht) und meinen Ausweis vor. Dr. B. war die Ruhe selbst. Ich mittlerweile auch wieder, denn der Sohn hatte gut geschlafen und war aufgewacht. Dr. B. sagte, seine Nase sei nicht labortauglich und beschnupperte erfolglos die übelriechende Frucht. Ja, ein schwacher Fremdgeruch sei da durchaus. Ich bekam ein Formular mit dem Titel „Protokoll Verbraucherbeschwerde“ vorgelegt, das ich ausfüllte. Sodann wurde die kleine Holzkiste samt Inhalt in einen Beutel gepackt, um ins Labor gebracht zu werden. Dr. B. wagte keine Prognose, wann Ergebnisse vorliegen würden.
Fortsetzung folgt. Hier, an dieser Stelle. So lange kaufe ich bio.
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