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Berlin: Bankenskandal: Auf den Spuren der Angeklagten

Was machen die Manager, mit denen die Affäre begann? Prozess gegen Wienhold und Neuling wurde verschoben

Der Empfang fällt, passend zum winterlichen Grau, eher frostig aus. Kein Schild weist den Weg zur Unternehmensgruppe Aubis, und statt eines Namens steht neben der Pforte nur „Bitte hier klingeln“. Während eine Kamera die Besucher ins Visier nimmt, stellt sich eine Empfangsdame in die Tür. Nein, die Herren Wienhold und Neuling seien nicht im Hause. Sicher, schriftlich formulierte Fragen nehme sie gern entgegen, ansonsten: Guten Tag, guten Weg. Dass die Charlottenburger Altbauvilla die richtige Adresse ist, verraten allein zwei Briefkästen. Wienhold steht auf einem, Neuling auf einem anderen.

Mit den beiden Aubis-Managern begann der größte Finanzskandal der Berliner Nachkriegsgeschichte. Weil die Firma Anfang der 90er Jahre den Kauf von Tausenden Plattenwohnungen mit Krediten der Bankgesellschaftstochter Berlin Hyp finanziert hat, sich Christian Neuling (59) und Klaus Wienhold (53) großzügig zeigten und der Berliner Union 40 000 Mark spendeten. Das Geld hatte Wienhold dem damaligen Berlin Hyp-Chef und CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky in bar überreicht. Mit den Krediten und der Spende löste Aubis 2001 die Parteispenden- und Bankenaffäre aus. Die große Koalition zerbrach.

Um Neuling und Wienhold ist es ruhig geworden in letzter Zeit, zu ruhig, wenn es nach dem Geschmack der Staatsanwaltschaft geht. Denn ursprünglich sollte der Prozess gegen die beiden Aubis-Manager am Dienstag beginnen, wurde aber verschoben: Die zuständige Wirtschaftskammer des Berliner Landgerichts muss erst noch zwei andere Großverfahren abarbeiten. „Einen neuen Termin konnte die Kammer uns bislang nicht nennen“, sagt Staatsanwalt Bernhard Brocher. Den Aubis-Managern wirft die Anklage gemeinschaftlichen Betrug und Betrugsversuch vor. Wegen falscher Angaben sollen Sanierungsgesellschaften Zahlungsverpflichtungen eingegangen sein, die um mindestens 15 Millionen Euro erhöht gewesen sein sollen. Die Staatsanwaltschaft glaubt, den Aubis-Managern einen bisher entstandenen Schaden in Höhe von 918 000 Euro nachweisen zu können.

Und was ist aus den beiden Männern geworden, die als Schlüsselfiguren der Berliner Bankenaffäre gelten? Neuling und Wienhold würden noch in Untersuchungshaft sitzen, hätten sie im vergangenen April nicht jeweils eine Kaution von 950 000 Euro hinterlegt. Weil das Gericht befürchtet, dass sich die beiden in Ausland absetzen könnten, sind außerdem ihre Reisepässe eingezogen, und einmal wöchentlich müssen sich die Geschäftsmänner bei der Polizei melden. „Wegen der langen Dauer des Verfahrens wurde die Kaution inzwischen auf jeweils 500 000 Euro vermindert“, sagt Staatsanwalt Bernhard Brocher.

Es war ein steiler Aufstieg mit jähem Fall. Heute kann kaum jemand sagen, ob die Firma Aubis noch existiert und auch bei der Auskunft heißt es: Kein Eintrag vorhanden. Dann meldet sich Klaus Wienhold doch noch telefonisch. Sicher, sagt er, Aubis existiere noch. „Wir kommen täglich hierher zur Arbeit.“ Dann gibt sich der Geschäftsmann, einst CDU-Landesgeschäftsführer und Mitglied des Abgeordnetenhauses, nur noch einsilbig. Egal, ob es um den anstehenden Prozess geht oder um Projekte seiner Firma, die Antwort lautet immer: kein Kommentar.

Als sie rund sechs Wochen im Gefängnis saßen, galten für Wienhold und Porsche-Fahrer Neuling die selben Regeln wie für alle anderen: Wecken gegen 6.20 Uhr, 6.45 Uhr Frühstück, 11.45 Uhr Mittagessen, Abendbrot ab 14.45 Uhr, dazwischen war eine Stunde Hofgang vorgesehen. In Freiheit können es die Aubis-Manager etwas lockerer angehen, doch auch draußen bleibt der Spaß begrenzt. Urlaubsreisen muss der Richter genehmigen, und einmal in der Woche erwartet die Polizei den Besuch der Männer. Wienhold beispielsweise findet sich regelmäßig auf der zuständigen Wache in Charlottenburg ein. Beige-grüne Wände, fahles Neonlicht, runde Spiegel reflektieren das Geschehen in den Ecken. Polizisten laufen über verwaiste Flure. „Zu Warteschlangen kommt es bei uns in der Regel nicht“, sagt eine Polizistin hinter dem hölzernen Tresen. Wienhold kommt meist zu Fuß, vor dem Zehlendorfer Polizeiabschnitt, der für Neuling zuständig ist, wird einmal in der Woche ein schwarzer Porsche gesichtet.

Den Tag kann sich Wienhold nicht aussuchen, dafür aber die Uhrzeit, von 0 bis 24 Uhr darf er an der verschlossenen Glastür klingeln. Vermutlich muss sich der dunkelhaarige Geschäftsmann noch nicht einmal ausweisen, inzwischen dürften die Polizisten ihren Stammgast kennen. „Das passiert bei einigen, die über lange Zeit hierher kommen“, sagt die Polizistin lächelnd. Über Wienhold persönlich erzählt sie nichts, doch Justizsprecher Björn Retzlaff versichert: „Bislang sind beide Beschuldigten ihrer Meldepflicht beanstandungslos nachgekommen.“

Wienhold dürfte wissen, was ihm bei einem Verstoß gegen die Auflagen blühen würde, schließlich hat er bis 1981 als Kriminalbeamter sein Geld verdient. Sein Kompagnon Neuling war in West-Berliner Zeiten aktiver CDU-Funktionär, als Bundestagsabgeordneter und Vize-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus. Der anstehende Prozess vor der Wirtschaftskammer wird sich voraussichtlich über Wochen hinziehen, doch ob die Geschäftsmänner ihre Kaution je wiedersehen werden, ist ungewiss. Denn die Bankgesellschaft hat für einen Großteil der Summe einen Pfändungsanspruch hinterlegt.

So lange die Gläubiger nicht zum Zuge kommen, bleiben Wienhold und Neuling vorerst noch die Erlöse der Firma. „Ein paar kleinere Altbauten“ zählen möglicherweise noch immer dazu, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Einst gehörte Aubis außerdem eine Bowlinganlage in Eberswalde, aber vielleicht hat man die Immobilien inzwischen für die Kaution zu Geld gemacht. Bleibt im Eigentum der Unternehmensgruppe noch das „Aubis Hotel“ auf Sylt – wie die Dame in der Rezeption bestätigt. In der Schleswig-Holsteiner Ferienherberge präsentiert man sich dann doch etwas einladener als an der Charlottenburger Firmenvilla. „Eines der freundlichsten Hotels auf der Insel“, heißt es auf der Internetseite des Hotels – und: „Herzlich willkommen!“

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