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Berlin: „Bar jeder Vernunft“ kämpft um ihr Zelt

Cabaret-Betreiber weigern sich, in einen festen Neubau an der Schaperstraße zu ziehen

Bei der geplanten Verlagerung der Bar jeder Vernunft sind aus Sicht der Betreiber noch wichtige Fragen offen. Laut Geschäftsführer Holger Klotzbach gibt es „stark divergierende Schätzungen zum Zeitaufwand“ für den Ab- und Wiederaufbau des Jugendstil- Spiegelzelts. Klotzbach rechnet mit „mindestens zwei bis drei Monaten“. Dagegen glaubt der Eigentümer des Areals an der Schaperstraße in Wilmersdorf, dass der Spielbetrieb nur wenige Tage lang pausieren muss.

Das Cabaret-Theater soll seinen Standort verlassen, weil der Investor Neubau GmbH das Parkdeck der ehemaligen Freien Volksbühne abreißen möchte (wir berichteten). Der Beginn der Arbeiten ist für 2003 bis 2004 geplant. Das Zelt soll künftig näher an der Schaperstraße liegen und in eine dort geplante Grünanlage einbezogen werden. Klotzbach bekräftigte am Montag, die Bar jeder Vernunft begrüße das Vorhaben als Aufwertung ihres Standorts. Der Umzug sei „rein technisch“ durchaus machbar. Zunächst müsse der Vermieter aber darlegen, wie er sich die Finanzierung vorstellt. Bislang gebe es keine detaillierte Zusage, sondern nur eine Absichtserklärung des Bauherrn, sich mit dem Theater zu einigen.

Den Vorschlag der Firma, in ein festes Haus zu ziehen, lehnt der Theater-Geschäftsführer ab: „Wir werden auf keinen Fall das Spiegelzelt aufgeben.“ Dieses war 1912 in den Niederlanden als „Danse Paleis“ für Seebadeorte gebaut worden und bietet 250 Gästen Platz. Klotzbach hält lediglich Ergänzungsbauten neben dem Zelt für denkbar, auch um den Schallschutz zu gewährleisten. Laut Umweltstadträtin Martina Schmiedhofer (Grüne) gab es am jetzigen Standort mitunter Anwohnerbeschwerden über lauten nächtlichen Applaus. Deshalb wurde eine provisorische Lärmschutzwand installiert.

Die Bühnenbetreiber wollen während der Umgestaltung des Areals keine Ersatzräume für Aufführungen nutzen. Ein anders geartetes Ambiente passe nicht zum Programm. Ebenso wenig komme in Frage, ganz aus der Schaperstraße wegzuziehen. Einen etablierten Standort „verlässt man nicht einfach“, meint Klotzbach. Mitte November wollen Bezirkspolitiker erstmals im Bauleitplanungsausschuss über die Ideen für das Theatergelände beraten.

Neuigkeiten gibt es derweil auch vom Zweitstandort der Bühne, dem Tiergartener „Tipi“-Zelt mit 550 Plätzen. Die Bar jeder Vernunft hatte es im Sommer für das Jubiläumsprogramm zu ihrem zehnjährigen Bestehen eröffnet. Damals war nur an eine neunmonatige Nutzung gedacht, doch nun strebt Klotzbach den dauerhaften Verbleib an. „Ich hoffe in den nächsten Wochen auf eine Einigung, die alle zufrieden stellt.“ Der Vertrag mit dem benachbarten Haus der Kulturen der Welt läuft bis zum März 2003. Für eine Verlängerung ist die Zustimmung der neuen Kultur-Staatsministerin Christina Weiss und des Bundeskanzleramts nötig. Das Tempodrom hatte seinen früheren Standort an gleicher Stelle wegen Sicherheitsbedenken des Kanzleramts räumen müssen und war nach Kreuzberg gezogen. Das „Tipi“ hat es laut Klotzbach leichter: Schließlich seien die Bauarbeiten für das Kanzleramt beendet, und der Regierungschef „heißt nicht mehr Kohl“.

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