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Ostkreuz

© David Heerde

Umbauarbeiten: Baulärm am Ostkreuz: Bahn spendiert Anwohnern ein Hotelzimmer

Die ganze Nacht durch wird gehämmert, gewummert und zertrümmert. Der Lärm am Bahnhof Ostkreuz zwingt die Anwohner in die Knie. Wem das zu viel ist, darf auf Kosten der Bahn in ein Hotel am Ostbahnhof - an einer lauten Straßenkreuzung.

Das Zimmer war nicht sehr groß, ein Bad, ein Bett, fertig. Ein typisches Businesshotel eben. Als Jürgen Freymann, 46, dann aber am Freitagabend, 22 Uhr, sein Hotelfenster im zweiten Stock öffnete und auf eine große Straßenkreuzung guckte, direkt vorm Ostbahnhof, da dachte er sich: Das ist jetzt bitte ein Scherz.

Es ist schließlich so: Familie Freymann hat am Wochenende nicht ganz freiwillig das heimische Bett verlassen. Die Bahn baut vor ihrer Nase das Ostkreuz um, es wird gehämmert, gewummert und zertrümmert, die ganze Nacht hindurch. Und deshalb hat die Bahn 300 Anwohnern ein Ausweichquartier gesucht. Es war die erste Nacht in der Fremde, viele weitere werden folgen, das nächste Mal von Mittwoch bis Montag. Und immer so weiter. „Wir flüchten vor dem Lärm“, sagt Freymann, „und dann muss ich das Fenster schließen, um schlafen zu können?“ Da muss er selbst lachen.

Der Bahnhof ist heruntergekommen, schmutzig und unübersichtlich

Seine Wohnung befindet sich in der Neuen Bahnhofstraße in Friedrichshain. Freymann hat einen fulminanten Blick auf Berlin. „Da hinten“, sagt er und deutet zum Horizont, „das ist das Rathaus Schöneberg!“ Und da, der Alex! Und direkt vor ihm: Das gute, alte Ostkreuz. Der Bahnhof ist ein immens wichtiger Knotenpunkt im Nahverkehrsgewusel der Stadt: 150 000 Fahrgäste am Tag, neun S-Bahnlinien insgesamt. Doch der Bahnhof ist heruntergekommen. Die einen finden ihn charmant, weil er nicht so geklont aussieht wie all die anderen Bahnhöfe und prima in den lässigen Kiez passt. Die anderen finden das Ostkreuz einfach nur schmutzig und unübersichtlich. Deshalb baut die Bahn bis 2016 alles um. Für stattliche 411 Millionen Euro.

Gegen den neuen Bahnhof sei er doch gar nicht, sagt Freymann, „aber ich wohne hier, zahle Miete, habe mein Büro hier. Ich will die nächsten acht Jahre einfach in meiner Wohnung schlafen können“. Einmal schon hat er die Bahn ausgebremst, per Klage, vor einer Woche war das. Da sollte eigentlich nachts gebaut werden, die Bahn hatte die 300 Hotelzimmer geblockt, Schienenersatzverkehr eingerichtet. Umsonst. „So etwas haben wir noch nie erlebt“, sagt ein Bahnsprecher, „nicht mal beim Bau des Hauptbahnhofs.“ Freymann, der Ingenieur, der mit seiner Frau, dem 20-jährigen Sohn und Hündin Olivia dort wohnt, wehrt sich. Immer heiße es nur: Es gehe um das große Ganze, „aber was ist mit uns, den kleinen Anwohnern?“ Sie fühlten sich übergangen, ohnmächtig, „arrogant behandelt“, sagt er. Dabei sei er doch sogar selbst Bahnfan.

"Lärm ist in einer Großstadt nicht zu vermeiden"

Man könne den Ärger der Anwohner verstehen, sagt ein Bahnsprecher, „aber wir doch bauen nicht, um die Menschen zu ärgern“. Seit Jahren werde über die Baupläne diskutiert, deshalb könne niemand überrascht sein, der dort hinzieht. Freymann wohnt dort auch erst seit drei Jahren. „Wir bauen Lärmschutzwände, sogar höher als ursprünglich geplant“, sagt der Bahnsprecher. Drei statt zwei Meter. Und Lärmschutzfenster würden auch auf Bahnkosten gebaut, „vor 2016“. Ein Gutachten wird gerade erstellt.

Vorerst aber müssen die Anwohner ausweichen. 110 Anwohner hätten vom Angebot Gebrauch gemacht, sagt der Bahnsprecher. Aber das mit dem Straßenlärm? „Lärm ist in einer Großstadt nicht zu vermeiden.“ Ein Hotel am Stadtrand sei auch keine Alternative, „das ist dann wieder zu weit weg“. Man könne es leider nicht jedem Recht machen. Wäre denn nicht wenigstens ein Zimmer mit Frühstück eine nette Geste gewesen? Die Bahn sagt: Frühstück müsse man zuhause auch selbst bezahlen. Das ist kostensparend. Immerhin.

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