zum Hauptinhalt
Die Staatsanwaltschaft muss nachermitteln. Das Landgericht ließ die Anklage im ersten Anlauf nicht zu.

© Foto: dpa/Jens Kalaene

Beihilfe zum grausamen Mord in 809 Fällen: Berliner Staatsanwaltschaft klagt 98-jährigen Ex-Wehrmachtssoldaten an

Erstmals soll sich ein mutmaßlicher Wachmann eines Kriegsgefangenenlagers der Wehrmacht vor Gericht verantworten. Doch noch ist die Anklage nicht zugelassen.

Die Berliner Justiz prüft Vorwürfe gegen einen mutmaßlichen ehemaligen Wachmann eines Kriegsgefangenenlagers der Wehrmacht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Anklage gegen den 98-jährigen Mann erhoben und wirft ihm Beihilfe zum grausamen Mord in 809 Fällen vor, wie eine Gerichtssprecherin am Freitag sagte. Zuvor hatte der NDR berichtet.

Das Gericht ließ die Anklage vom Mai bislang nicht zu, sondern gab bei der Staatsanwaltschaft Nachermittlungen in Auftrag, wie die Sprecherin weiter sagte. Bislang sei nicht absehbar, ob es zum Prozess kommt.

Der Mann, der dem NDR zufolge in Berlin lebt, soll als 19-Jähriger auf einem Wachturm im Kriegsgefangenenlager Wladimir-Wolynsk auf dem Gebiet der heutigen Westukraine eingesetzt gewesen sein. Dort wurden sowjetische Soldaten unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Viele Gefangene verhungerten oder starben an Krankheiten.

Die Anklage der Berliner Staatsanwaltschaft wirft dem 98-Jährigen vor, diese Tötungen mit seinem Handeln unterstützt zu haben, sie sieht das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllt.

Anklage vor Jugendkammer des Berliner Landgerichts

Dem NDR zufolge diente der Soldat von November 1942 bis März 1943 in dem Lager. Weil er damals noch unter 21 Jahre alt war, gilt er nach dem heutigen Strafrecht als Heranwachsender. Darum wurde die Anklage vor einer Jugendkammer des Berliner Landgerichts erhoben.

[Mehr aus Berlin und alles, was Deutschland und die Welt bewegt: Mit unserer App können Sie Ihre Nachrichten nun noch genauer einstellen. Jetzt hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Nach Informationen des Senders handelt es sich um die erste Anklage gegen einen mutmaßlichen Wachmann eines Kriegsgefangenlagers der Wehrmacht. Nach der Verurteilung des Wachmanns John Demjanjuk im Jahr 2011 wegen Beihilfe zu tausendfachen Morden werden auch Wachleute niedriger Ränge strafrechtlich verfolgt. Nach dieser geänderten Rechtspraxis wird die einfache Wachtätigkeit in einem KZ, in dem systematisch Menschen ermordet wurden, als Beihilfe zum Mord gewertet.

Ende Juni war in Brandenburg ein ehemaliger Wachmann des KZ Sachsenhausen wegen Beihilfe zum Mord an tausenden Häftlingen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Neuruppin sah es als erwiesen an, dass der heute 101-Jährige von 1942 bis 1945 als SS-Wachmann in dem KZ tätig war und Beihilfe zum Mord an mehr als 3500 Häftlingen geleistet hatte. Der Mann bestritt dies. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Anwalt legte Revision ein. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false