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Erich Klausener wurde während des sogenannten "Röhm-Putschs" von den Nazis ermordet.

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Berlin-Bücher: Mord im Ministerium

Beim „Röhm-Putsch“ wurde auch der Katholik Erich Klausener erschossen. Ein Buch erinnert an die Tat

Am 30. Juni 1934, gegen 13 Uhr, trafen die Mörder vor dem Reichsverkehrsministerium an der Wilhelmstraße ein. Während die 18 SS-Männer des Begleitkommandos vor dem Gebäude blieben, begaben sich der mit der Tat beauftragte Hauptsturmführer Kurt Gildisch und ein Gestapo-Beamter in den ersten Stock zum Dienstzimmer des Leiters der Schifffahrtsabteilung, Erich Klausener. Gildisch eröffnete ihm, dass er im Auftrag der Gestapo wegen staatsfeindlicher Umtriebe verhaftet sei. Sein Opfer schloss noch einige persönliche Gegenstände weg, begab sich zum Kleiderschrank, wandte seinem Mörder arglos den Rücken zu. Gildisch nutzte den Moment, zog seine private Pistole aus der Tasche und schoss Klausener eine Kugel in den Hinterkopf. Von dessen Diensttelefon teilte er Gestapo-Chef Reinhard Heydrich den Vollzug des Auftrags mit und erhielt die Anweisung, die Tatwaffe dem Opfer in die Hand zu drücken, um so einen Selbstmord vorzutäuschen. Eine Bluttat, die in Berlin Spuren hinterlassen hat: Die Urne mit Klauseners Asche wurde zunächst in Tempelhof beigesetzt und kam 1963 in die Krypta der Gedenkkirche Regina Maria Martyrum in Charlottenburg. Dort gibt es seit 1950 den Klausenerplatz, weiter erinnern in Berlin vier Gedenktafeln und ein Saal im Bundesverkehrsministerium in der Invalidenstraße an den Toten. Dennoch gehört der Mordfall zu den heute weitgehend unbekannten Kapiteln der blutigen Ereignisse um den so genannten „Röhm-Putsch“ von 1934, mit dem Hitler die Führungsriege der SA um deren Chef Ernst Röhm als unbequemen, eigene Machtansprüche bedrohenden Rivalen vorsorglich ausschaltete – und andere als gefährlich angesehene Personen wie den früheren Reichskanzler Kurt von Schleicher, Hitlers Vorgänger, und eben Erich Klausener gleich mit. Es ist daher ein überaus begrüßenswertes Verdienst des Berliner Historikers Bernhard Sauer, dass er dem Mord an Klausener ein glänzend recherchiertes und sehr lesenswertes, durch Prozessdokumente ergänztes Sachbuch gewidmet hat. Es gibt nicht allein Einblick in die noch nicht ganz festgezurrten Machtstrukturen des frühen NS-Regimes, sondern schildert anschaulich am Beispiel eines eher untergeordneten Schergen das Denken und Handeln jener, auf die sich die Macht von Hitler & Co. bis zum blutigen Ende stützen konnte. Im Mittelpunkt steht also nicht der Ermordete, sondern sein Henker – „ein überzeugter und Hitler blindlings ergebener Nationalsozialist“, wie das Schwurgericht beim Landgericht Berlin im Urteil am 18. Mai 1953 befand. Sein Opfer kannte er nicht, Heydrichs Wort, dass dies ein auszumerzender Staatsfeind sei, genügte ihm. Es waren offenbar zwei Gründe, warum Klausener von Hermann Göring auf die Todesliste gesetzt worden war. Vor Hitlers Machtübernahme war Klausener Leiter der Polizeiabteilung im Preußischen Innenministerium gewesen, hatte damit „einen tiefen Einblick in die innere Parteigeschichte der NSDAP gewonnen“, wie das Schwurgericht in seinem Urteil befand. Vor allem aber stand Klausener als Leiter der Laienbewegung Katholische Aktion in Berlin dem neuen Regime überaus kritisch gegenüber, er hatte dies erst sechs Tage vor seiner Ermordung durch eine Rede in Hoppegarten vor 60 000 Gläubigen sehr deutlich gemacht. Sein Mörder wurde für die Tat zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 5. März 1956 starb er im Krankenhaus an einem Leberleiden, wohl Folge seines jahrelangen Alkoholmissbrauchs.

Bernhard Sauer: In Heydrichs Auftrag: Kurt Gildisch und der Mord an Erich Klausener während des „Röhm-Putsches“. Metropol Verlag, Berlin. 154 Seiten, 16 Euro
Bernhard Sauer: In Heydrichs Auftrag: Kurt Gildisch und der Mord an Erich Klausener während des „Röhm-Putsches“. Metropol Verlag, Berlin. 154 Seiten, 16 Euro

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