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 Esst mehr Obst. Frische Früchte an der Bahnsteigkante.

© Burkhard Wollny

Berlin-Friedrichshain: Fotoband zeigt, wie das Ostkreuz einmal war

Der SPD-Politiker Sven Heinemann hat mit dem Fotografen Burkhard Wollny ein Buch über die Geschichte des Bahnhofs veröffentlicht. Zu sehen ist auch das älteste Haus im Kiez.

Das ist „sein“ Bahnhof, auch wenn hier täglich weit über 100.000 Fahrgäste ein-, aus- und umsteigen. Für Sven Heinemann, Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist der Bahnhof, an dem deutschlandweit die meisten Züge halten, sogar eine Art Wohnzimmer: das Ostkreuz. Seit 2011 hat Heinemann, der in der Nähe wohnt, die Geschichte des Bahnhofs erforscht, über 60 Archive durchwühlt und innerhalb von 14 Monaten ein Buch dazu gemacht; mit vielen Fotos, die meisten stammen von Burkhard Wollny.

Zu jedem Detail kann Heinemann etwas erzählen. Als erstes geht es auf den neuen Regionalbahnsteig, an dem seit Dezember sogar einige Fernzüge halten. Aber Heinemann will ein Haus zeigen: ein ehemaliges Beamtenwohnhaus an der Hauptstraße; unter der neuen Südkurve. Nach bisherigen Unterlagen sollte es 1900 gebaut worden sein. Heinemann hat nun bei seiner Suche nach Dokumenten und Fotos herausgefunden, dass es schon 1874 vorhanden war – und damit das älteste Haus von Friedrichshain ist.

Auch der inzwischen – wie auch das Beamtenwohnhaus – verkaufte Wasserturm ist ein Jahr älter als bisher angenommen, seit 1911 ragt er schon in die Höhe, haben die Recherchen ergeben. Fündig wurde Heinemann auch im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, an das er zunächst gar nicht gedacht hatte. Aber das heutige Ostkreuz lag ja früher vor den Toren der Stadt.

Unter Strom. In den 1980er Jahren erhielten die Fernbahngleise am Ostkreuz eine Oberleitung. Die Arbeiten waren nicht ganz ungefährlich, denn die S-Bahnen rollten weiter.
Unter Strom. In den 1980er Jahren erhielten die Fernbahngleise am Ostkreuz eine Oberleitung. Die Arbeiten waren nicht ganz ungefährlich, denn die S-Bahnen rollten weiter.

© Historische Sammlung DB

Jetzt geht's weiter zur neuen alten Fußgängerbrücke, die im Westen des Bahnhofs die Verbindung von den Vorplätzen zu den Bahnsteigen herstellt. Entworfen hatte sie der S-Bahnarchitekt Richard Brademann. Die Kriegsschäden seien nur notdürftig beseitigt worden, erinnert sich Heinemann. Jetzt aber sei die Brücke vielleicht sogar schöner als früher. Auch wenn erste Graffiti schon wieder zu sehen sind. Dabei ist alles neu; nur ganz wenige Originalteile sind beim Wiederaufbau verwendet worden, weiß Heinemann.

Und nun ab zur Ostseite. Dort, wo die S-Bahnen auf einer neuen Brücke die Gleise der Strecke von und nach Lichtenberg überqueren, lag einst der Haltepunkt Rummelsburg an der Berlin-Frankfurter Eisenbahn. Nichts mehr davon ist zu sehen. Wie von der früheren Station Stralau an der Ringbahn, die südlich vom Ostkreuz lag. Es wurmt Heinemann ein wenig, dass von dieser 1872 eröffneten Station kein Bild zu finden war. 1882 ersetzte der Vorgänger des Ostkreuzes, der Bahnhof Stralau-Rummelsburg, diese Anlagen.

Noch mehr ärgert sich Heinemann, dass er selbst zunächst auch nur selten auf dem Ostkreuz fotografiert hatte. Erst nach Beginn der Umbauarbeiten hat er damit begonnen. Dass das Buch, ein Fotoband mit erklärenden Texten, trotzdem üppig bebildert ist, verdankt Heinemann auch dem Fotografen Burkhard Wollny, den er erst 2015 bei den Recherchen kennengelernt hatte. Und Wollny besitzt ein Archiv mit über tausend Dias und Fotos allein vom Ostkreuz.

Dabei war Heinemann von Anfang an vom morbiden Charme des Bahnhofs fasziniert. Geboren in Baden-Baden war er 2000 nach Berlin gekommen – und wohnt seither im Kiez. Häufig stand er auf dem Bahnsteig A, an dem die Züge hielten, die vom Treptower Park kommend ins Zentrum fuhren. Vom Bahnsteig hatte man einen wunderbaren Blick Richtung Fernsehturm, schwärmt Heinemann. Und dann noch der Sonnenuntergang! Hätte er doch nur ein paar Fotos gemacht. Jetzt ist es zu spät. Der Bahnsteig ist beim Umbau abgerissen und nicht wieder aufgebaut worden. Die S-Bahnen von und zum Flughafen Schönefeld passieren das Ostkreuz ohne Halt.

Ernster Dreier. Eisenbahner am späteren Ostkreuz um 1927.
Ernster Dreier. Eisenbahner am späteren Ostkreuz um 1927.

©  Sammlung Lutz Zschage

Heinemann und Wollny beschränken sich aber nicht aufs Ostkreuz. Sie stellen auch die Bahnanlagen im Umfeld vor - vom Ostbahnhof, den Werkstätten an der Warschauer Straße bis zum einstigen Anschluss des Osthafens oder des Stralauer Glaswerks. Es gibt viel zu sehen in dem rund 2,4 Kilogramm schweren Band. Wer es hören will: Eine Lesung Heinemanns gibt's am 28. März um 17.30 Uhr im Deutschen Technikmuseum an der Trebbiner Straße 9 in Kreuzberg.

Dem einstigen „Rostkreuz“ trauere er nicht nach, sagt Heinemann. Vom modernen Ostkreuz mit Aufzügen und Rolltreppen profitierten schließlich alle Fahrgäste. Wenn’s aber nostalgisch wird und die Berliner Dampflokfreunde am 17. März wieder mit einem Sonderzug zum Ostkreuz kommen, will Heinemann dabei sein. Mit Fotoapparat.

Sven Heinemann/Burkhard Wollny: Mythos Ostkreuz - Die Geschichte des legendären Berliner Eisenbahnknotens - 1842 bis heute. VGB Verlagsgruppe Bahn Fürstenfeldbruck, 272 Seiten, ca. 350 Abbildungen, 39,95 Euro

Fertig zum Ausflug. Ostkreuz war schon immer Treffpunkt.
Fertig zum Ausflug. Ostkreuz war schon immer Treffpunkt.

© Sammlung Sven Heinemann

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