
© Kitty Kleist-Heinrich
Poesie auf der Brandmauer: Berlin-Gedicht sucht Wand
Das Berlin-Gedicht von Hendrik Marsman an der niederländischer Botschaft verschwindet hinter Mauern - gesucht wird ein neuer Standort.
Stand:
"Der Morgen ist ein besudeltes Kleid / eine Seite mit einem Eselsohr / ein Klecks / die Stadt / eine halb abgeschminkte Frau / doch zuckend bäumt sie sich in den Himmel / wie ein blaues Pferd von Marc im Luftgeschirr / Berlin / die Sonne gelb." So ist es auf der Brandmauer der niederländischen Botschaft in der Stralauer Straße in Mitte zu lesen – eine Liebeserklärung des niederländischen Dichters Hendrik Marsman. Er hat 1922 der Stadt damit ein Denkmal gesetzt – und die niederländische Botschaft hat dieses Gedicht der Stadt im August 2012 zum 775. Geburtstag geschenkt.
„Wir wussten, dass dort eines Tages gebaut werden würde. Erst haben wir auf der Brandmauer riesige Plakate aufgehängt und dann kam die Idee, zum Stadtjubiläum das Gedicht ,Berlin’ auf die Wand malen zu lassen“, sagt Katrin Konst, Sprecherin der Botschaft. „Wir hatten mit sechs bis zwölf Monaten Sichtbarkeit gerechnet, aber dann hat der Investor gewechselt und dann wurden bei den Bauarbeiten die frühsteinzeitlichen Scherben gefunden.“ Und so wurde der provisorische Wandschmuck zur Dauerlösung. Doch jetzt wächst der Bau des Holiday Inn Express in die Höhe, von unten wird die Schrift verdeckt, zwei Stockwerke stehen schon. Das Ende ist absehbar.
Die Botschaft sähe ihr Geschenk gerne dauerhaft verewigt
Die Botschaft sähe ihr Geschenk von 2012 gerne dauerhaft in der Stadt verewigt. „Gedicht sucht Wand“ sagt Katrin Konst. Vielleicht gebe es ja einen Hausbesitzer, Investor oder eine Wohnungsbaugesellschaft, die sich – möglichst gut sichtbar – mit dem Gedicht schmücken möchte? „Wenn sich wirklich jemand fände, könnte die Botschaft die Realisierung eventuell unterstützen“, sagt Konst. Dieses Jahr würde es auch gut passen, denn die Niederlande bilden mit Flandern zusammen den Länderschwerpunkt bei der Buchmesse in Frankfurt. „Eine kleine Feier zur Einweihung ist dann sicherlich auch möglich.“

© doris spiekermann-klaas
Die niederländische Filmemacher Matthijs Holland, der fast jeden Tag vorbeifährt, hat von der Botschaft den Auftrag bekommen, das Verschwinden des Gedichts in einem Filmprojekt festzuhalten – eine poetische Reminiszenz an eine niederländische Liebeserklärung an die Stadt, die nach 94 Jahren nichts an ihrer Aktualität verloren hat. Rolf Brockschmidt
Bei Interesse bitte Mail an: bln-pcz@minbuza.nl. Stichwort „Gedicht sucht Wand“
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