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Getränk für die Seele. Chloe Nattrass im Father Carpenter Coffee Brewers mit einem ihrer Werke.

© Doris Spiekermann-Klaas

Deutsche Kaffeemeisterin gekürt: Berlin ist für sie Espresso

Deutschlands beste Barista Chloe Nattrass kommt aus Berlin. Sie hat eine ganz besondere Beziehung zu den kleinen, braunen Bohnen.

Chloe Nattrass sieht müde aus. Aus ihrem Gesicht blicken dunkelgraue, erschöpfte Augen, darunter zeichnen sich Ringe ab. Seit der deutschen Kaffeemeisterschaft vor wenigen Wochen in München hatte sie keinen freien Tag. „Ich war noch nie in meinem Leben so aufgeregt“, erzählt sie. Gerade einmal zwei Wochen ist es her, da stand die 24-Jährige auf der Bühne unter den heißen Scheinwerfern, mit trockenem Mund und Beinen aus Gummi. Sie sprach über die Kaffeebohnen von der kleinen Farm in Costa Rica und über die Ernte, sie presste das gemahlene Pulver fest in die Kelle und vereinte die Brauntöne in einer kleinen Tasse zum perfekten Espresso. Am Ende war klar: Chloe Nattrass ist neue deutsche Baristameisterin. Die zierliche Australierin macht also den besten Kaffee im Land.

"Am wichtigsten ist dem Kunden, dass der Kaffee schmeckt"

Dass sie überhaupt hier ist, hat mit dem Fernweh zu tun, das sie als 18-Jährige packte. Hauptsache Europa, ein bisschen Rucksack, ein bisschen Kultur. Sie landete im englischen Brighton und fand einen Job in einem Café. Dort lernte sie „speciality coffee“, also „Spezialitätenkaffee“ kennen. Dabei geht es darum, Kaffee als ganzheitliches Produkt wahrzunehmen: von der Ernte über das Rösten, bis hin zur Zubereitung. Chloe Nattrass aber mag den Begriff nicht. „Was soll denn daran so besonders sein?“, fragt sie und legt die Stirn in Falten. „Am Ende interessiert es den Kunden doch, ob ihm der Kaffee schmeckt oder nicht.“

Und das wiederum sei die Aufgabe des Baristas. Baristas – das sind nicht nur die hemdsärmeligen, bärtigen Typen mit tätowiertem Unterarm, die cool bis mürrisch lauwarmen Kaffee in Mitte und Kreuzberg ausschenken. Ein Barista ist für Nattrass jemand, der professionell Kaffee zubereitet und durch sein Können einen gleichbleibend guten Geschmack des Produkts garantieren kann. Er ist irgendetwas zwischen Winzer und Sommelier, agiert zwischen Handwerk und Sinnlichem. Und natürlich gehört es auch dazu, das Wissen an den Konsumenten weitergeben. „Der Kunde kommt aber in erster Linie zu uns, weil er entspannen möchte und nicht, um ein Kaffeediplom zu machen“, sagt Nattrass. Anstatt ihre Kunden mit zu viel Hintergrundwissen zu überfordern, versucht sie ihnen nach und nach andere, bislang unbekanntere Kaffeevariationen schmackhaft zu machen.

Espresso, Espresso, aber bitte mit schöner Crema.
Espresso, Espresso, aber bitte mit schöner Crema.

© dpa

Bei so viel Passion braucht man schon eine besondere Beziehung zu den kleinen, braunen Bohnen. „Ich mag das Gefühl, das Kaffee bei mir auslöst“, sagt Chloe Nattrass und lässt ihre Gedanken schweifen – zurück nach Finnland, in diese froste Gegend, wo so viel Kaffee getrunken wird wie sonst kaum woanders auf der Welt. Mit 14 Jahren war sie dort und immer noch erinnert sie sich an den dort typischen Filterkaffee. „Wenn ich den trinke, bin ich wieder das kleine Teenagermädchen, das tonnenweise Zucker in ihre Tasse getan hat.“

Ein Flat White - die Harmonie aus schaumig-cremiger Milch und kräftigem Espresso – trägt sie zurück in ihre Heimatstadt Sidney. „Ein Flat White ist ein Getränk für die Seele“, sagt sie. „ Bei meinen Eltern habe ich das ständig getrunken.“

Die wachsende Kaffeeszene Berlins lockte sie an

Und Berlin? „Ist für mich Espresso.“ Hier hat sie die Essenz des Kaffees lieben gelernt. Noch in Brighton, vor sechs Jahren, erzählte man ihr von der wachsenden Kaffeeszene Berlins. Also zog sie her und heuerte beim Kaffeetempel The Barn an, dessen Besitzer erst vor Kurzem im Café Kranzler am Ku'damm seine dritte Filiale eröffnete. Für Chloe Nattrass folgten Stationen im Kreuzberger Five Elephant und beim Café CK, seit Anfang des Jahres brüht sie bei Father Carpenter Coffee Brewers, in einem Innenhof der Münzstraße in Mitte. Wo Berlins Kaffeeszene Fahrt aufnahm und interessant wurde, war sie zu Stelle. Zwar sei Berlin noch nicht wie Melbourne, San Francisco oder London, wo es schwer ist, ein Kaffeehaus zu finden, in dem Kaffee noch nicht zur Kunstform erhoben ist. Aber, so sagt Nattrass, es entwickelt sich, das Niveau steigt. Vor ein paar Jahren gab es nur eine Handvoll Kaffeeröstereien in Berlin, mittlerweile eröffnet alle paar Monate eine neue. „Das ist das Tolle: Die Szene ist jung, es ist noch so viel möglich.“

Ausruhen kann sich die 24-Jährige daher auch weiterhin nicht. Nach der Landesmeisterschaft folgt die Weltmeisterschaft. Kommenden November wird sie deswegen nach Südkorea reisen und wieder auf einer Bühne stehen, wieder wiegen, pressen, einspannen und extrahieren. Und am Ende serviert die junge Wahl-Berlinerin dann vielleicht sogar Weltklasse-Kaffee.

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