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Berlin: Berlin steuert um – bei Glätte wird wieder Salz gestreut

Nach neuen Studien ist der einst verpönte Stoff umweltfreundlicher als Granulat. Der Senat hat die Gesetzesänderung bereits beschlossen

Vereiste Straßen führten gestern früh zu 600 Unfällen in der Stadt (siehe Kasten). Nach geltendem Recht durfte die Stadtreinigung (BSR) nur Splitt streuen. Doch im nächsten Winter will die Stadtreinigung wieder auf Salz zurück greifen – und befindet sich dabei in bestem Einklang mit den Umweltschützern. Salz ist nämlich umweltfreundlicher als Granulat.

Eine neue Studie des Öko-Instituts in Freiburg hat ergeben, das Splitt im Winterdienst keine Alternative zum einst verpönten Streusalz ist. Schäden durch das Salz an Bäumen, Autos und Bauwerken befürchten die Wissenschaftler und die BSR nicht mehr. Die damals erhöhten Salzgehalte im Grund- und Oberflächenwasser hatten in den 60er und 70er Jahren zum weitgehenden Salzverzicht und zum Umstieg auf Splitt geführt.

Die Rückkehr des Streusalzes ist schon eingeläutet. Bereits im vergangenen Oktober hatte der Senat einen „differenzierten Winterdienst“ beschlossen; die notwendige Gesetzesänderung durch das Abgeordnetenhaus soll noch im Frühjahr folgen. Bisher darf die BSR nach Erlaubnis des Stadtentwicklungssenators nur Salz streuen, wenn es flächendeckend in der Stadt Eis auf den Straßen gebildet hat. Eine Ausnahme sind lediglich die Autobahnen, auf denen gesalzen werden darf. Widerstand im Parlament wird nicht erwartet.

Heute könne das weiterentwickelte Feuchtsalz viel dosierter gestreut werden, sagt die Sprecherin der BSR, Sabine Thümler. Neue Techniken helfen, Streugut einzusparen; so messen Sensoren die Temperatur, die Luftfeuchte und sogar eventuell noch vorhandenes Restsalz auf der Fahrbahn. Auch verbesserte Wettervorhersagen tragen dazu bei, die Salzbelastung von Böden, Gewässern und Pflanzen auf ein „umweltverträgliches Minimum“ zu reduzieren. Kommunen sollten je nach Straßen- und Wettersituation entscheiden, ob sie Salz oder Splitt streuen – oder ob sie auf das Streuen ganz verzichten können, fordert Carl-Otto Gensch vom Freiburger Öko-Institut. Auch der Komplettverzicht ist für die Wissenschaftler eine Alternative. Es habe sich erwiesen, dass auf nicht geräumten Straßen keineswegs mehr Unfälle passierten. Denn die Autofahrer verhalten sich auf nicht geräumten Straßen umsichtig.

Insgesamt 9820 Tonnen Granulat haben die Männer in Orange in diesem Winter auf Berlins Straßen geschüttet. In den nächsten Wochen wird es eingesammelt – ein aufwändiges und teures Verfahren für die Stadtreinigung.

Splitt gilt schon längst nicht mehr als Wundermittel gegen Schnee und Eis. Oft sei er unwirksam oder werde von Autos weggeschleudert, so BSR-Sprecherin Thümler. „Das wollte aber lange niemand hören.“ Ähnlich sei es bei Müllverbrennungsanlagen, die einst als „Dreckschleuder“ galten, inzwischen aber kaum noch Schadstoffe ausstießen. Zudem ist die Ökobilanz bei Splitt schlecht: Um die abstumpfenden Streumittel herzustellen, werde bei gleichem Nutzen ein dreifach höherer Primärenergieaufwand benötigt, hat das Öko-Institut ermittelt. Zudem können abstumpfende Stoffe nur mit einem hohen Aufwand eingesammelt und wiederverwendet werden – vor dieser Aufgabe steht in diesem Frühjahr die BSR erneut.

Der „differenzierte Winterdienst“ mit Salzeinsatz gilt aber nicht auf Gehwegen. Dort muss grundsätzlich der Eigentümer Schnee und Glätte beseitigen (lassen) – nur mit Sand, Splitt oder auch mit einer Schaufel per Hand.

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