
© dpa/Carsten Koall
Berlin und das Schicksal der politischen Linken: Die Zukunft der SPD entscheidet sich an der sozialen Frage
Die Hauptstadt stellt sich auf Wahlkampf ein. Die Linkspartei könnte 2026 triumphieren. Will die SPD nicht degradiert werden, darf sie nicht weiterhin nur das Bestehende verwalten.

Stand:
In der deutschen Hauptstadt geht ein Gespenst umher. Es heißt Zohran Mamdani. Es handelt sich nicht um den realen US-Politiker, der vergangene Woche zum Bürgermeister New York Citys gewählt wurde. Sondern um die Summe aller Hoffnungen und Ängste, die er bei Politikern deutscher Parteien aktuell auslöst.
Im Land Berlin wird 2026 neu gewählt. Danach könnte erstmals eine Regierende Bürgermeisterin der Linkspartei die Hauptstadt regieren. Und die SPD damit zur Mehrheitsbeschafferin für linke Mehrheiten degradieren.
Die Schwäche der Sozialdemokratie macht es möglich, dass die Linkspartei trotz ihrer teils umstrittenen Einstellungen die linke Partei der Stunde ist. Die Ausgangslage in Berlin gleicht dabei der im Bund: Die SPD regiert als Juniorpartner mit der CDU. Gemeinsam stehen sie angesichts wachsender Umfrageergebnisse der AfD unter Druck. Währenddessen können sich Grüne und Linke als soziales Gewissen präsentieren. Was vor allem der Linkspartei gelingt, die mit ihren Themen und ihrem Ton einen Nerv trifft. Sie verfängt, obwohl ihre Forderungen teils populistisch bis unrealistisch sind.
Am Samstag wollen Berliner SPD und Berliner Linke ihre Spitzenkandidaturen küren. Die Linke will die Mamdani-Euphorie auf Berlin übertragen – in der Hoffnung, sie möge alle begründeten Zweifel an ihrer Haltung zum Antisemitismus übertünchen. Die SPD wiederum will ihrer selbstzerstörerischen Kämpfe zum Trotz irgendwie zusammenhalten und verhindern, bedeutungslos zu werden.
Die Linkspartei treibt die SPD vor sich her
Schon bei der Bundestagswahl holte die Linkspartei die meisten Stimmen in Berlin. Sie treibt Teile der Sozialdemokratie vor sich her, die sich wie in Neukölln darüber entzweit, ob „antimuslimischer Rassismus“ und „Clankriminalität“ Unwörter sind.
Unbedeutend ist diese Auseinandersetzung über eine verständliche Sprache nicht. Entscheiden aber wird sich die Zukunft der Sozialdemokratie daran, wie die SPD im Bund wie im Land eine neue Antwort auf die älteste aller ihr ureigensten Fragen findet: die soziale Frage.
Wie umgehen mit den Folgen steigender Mieten, steigender Kosten und stagnierender Löhne? Wie umgehen mit einem Sozialstaat, der reformiert werden muss, ohne sich selbst abzuschaffen? Und vor allem: Wie angesichts zunehmender Nöte glaubhaft Zuversicht vermitteln?
Zu lange schon hat die SPD an entscheidenden Schaltstellen gesessen, ohne dass sich entscheidend etwas veränderte.
Anna Thewalt
Am Beispiel Mieten zeigt sich, woran es krankt. Während die Berliner SPD noch höhere Strafen für Zweckentfremdung fordert, organisiert die Berliner Linke längst Mieterversammlungen im großen Stil. Sie gibt Rechtsberatung, um überteuerte Mietzahlungen zurückzuholen. Das macht die Forderung der SPD nicht falsch. Aber es fehlt der Glaube, dass ausgerechnet die SPD, die in Berlin und im Bund das zuständige Ressort führt, spürbar etwas verändern kann. Zu lange schon hat sie an entscheidenden Schaltstellen gesessen, ohne dass sich entscheidend etwas veränderte. Die Erklärung, Schuld sei die CDU, mag keiner mehr hören.
Die Organisation des Prinzip Hoffnung
Dass sie in der Lage wäre, strukturell etwas zu verbessern, müsste die Linke erst beweisen. Derzeit verfängt sie mit Antworten, an die selbst Pragmatiker in der eigenen Partei nicht glauben. Aber allein dadurch, dass sie praktisch Hilfe anbietet, organisiert sie das Prinzip Hoffnung.
Diese Fähigkeit ist der SPD abhandengekommen. Das zeigt sich auch mit Blick auf die notwendigen Reformen des Sozialstaats.
Vielleicht nirgendwo besser als in Berlin können Bürger beobachten, wie öffentliches Geld im Dickicht unklarer Zuständigkeit, lähmender Bürokratie und fehlender Digitalisierung versenkt wird. Eine SPD, die erfolgreich sein will, müsste hier radikale Reformen anstoßen. Und zwar welche, die von der Sozialdemokratie selbst aufgebaute Strukturen beenden. Aktuell scheint nicht einmal die SPD selbst sich das Versprechen nach Verbesserungen abzunehmen.
Die SPD hat es schwer. Der Weg in den Linkspopulismus ist ihr versperrt, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Weiterhin nur das Bestehende zu verwalten, wird nicht helfen. Stattdessen muss sie mit neuen Antworten das Leben der Menschen ein Stück besser machen. Dafür braucht es Empathie, Ehrlichkeit und die Konzentration auf das Wesentliche: bezahlbare Wohnungen und lebenswerte, sichere, saubere Orte zum Leben.
In Berlin soll der aus Hannover eingeworbene Steffen Krach das Wunder für die SPD vollbringen. Mit einem glänzenden Ergebnis auf dem Parteitag wird es nicht getan sein. Die SPD muss sich wieder auf die Stadt konzentrieren, statt nur auf sich selbst.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false