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Berlin will 2000 zusätzliche Azubi-Stellen: Betriebe sollen mehr ausbilden – sonst droht eine Abgabe
Falls Berlin bis Ende des Jahres nicht einen Sprung in den Ausbildungsplätzen erreicht, sollen Unternehmen eine Umlage zahlen. Die Sozialverwaltung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt.
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Berlins Arbeitsverwaltung hat einen Gesetzesentwurf für eine Ausbildungsplatzumlage vorgelegt. Das Gesetz soll beschlossen werden, wenn es nicht gelingt, dass bis Ende des Jahres 2000 zusätzliche Ausbildungsvereinbarungen unterzeichnet werden.
„Ich habe mit dem Regierenden Bürgermeister in den Richtlinien der Regierungspolitik ganz klar vereinbart, dass es eine Ausbildungsplatzumlage geben wird, wenn wir die vereinbarte Zielmarke trotz aller Bemühungen nicht erreichen werden“, sagte Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD).
Dieser aber meldete sich Mittwoch extra aus dem Urlaub, um seinen Unmut über den Vorstoß zu äußern. Es sei jetzt „der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet“, sagte Kai Wegner (CDU).
Ende 2025 sollen in Berlin insgesamt 34.853 Menschen in Ausbildung sein, Ende 2023 waren es 2000 weniger. Gelingt das nicht, soll die Umlage kommen – und zwar, zumindest wenn es nach der SPD geht, möglichst schnell. Deswegen stellt die Arbeitsverwaltung jetzt schon den Gesetzentwurf vor.
Es gebe 22.152 ausbildungssuchende Jugendliche, aber nur 15.957 betriebliche Ausbildungsplatzangebote. „Das zeigt die Schieflage“, sagte Kiziltepe. Die Umlage sei eine „solidarische Umverteilung“, die die Unternehmen unterstütze, die Fachkräfte von morgen auszubilden.
Ab Mittwoch haben andere Senatsverwaltungen wie die Wirtschaftsverwaltung etwa einen Monat Zeit, eine Stellungnahme zu dem Entwurf abzugeben. Ein beschlussreifer Gesetzentwurf soll Ende 2025, Anfang 2026 vorliegen.
Nach Angaben von Kiziltepe könnte das parlamentarische Verfahren im Sommer 2026 abgeschlossen sein. Das Gesetz würde aber erst schrittweise in Kraft treten. Wann genau, ist wohl offen.
Nächstes Bündnis-Treffen im Mai
Um es ohne eine Umlage zu schaffen, hat sich das seit 2023 bestehende Bündnis für Ausbildung dutzende Maßnahmen überlegt. Mitglieder des Bündnisses sind der Regierende Bürgermeister, die Arbeits- sowie die Wirtschaftssenatorin, die Geschäftsführerin der Bundesagentur für Arbeit in Berlin-Brandenburg, sowie die Spitzenebenen der Wirtschaftspartner und Gewerkschaften. Die vergangene Sitzung fand im Oktober statt, die nächste soll es am 26. Mai geben. An den 47 verabredeten Maßnahmen arbeiteten alle beteiligten Akteure, heißt es vage aus der Sozialverwaltung.

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Als Indiz dafür, dass die Maßnahmen wirken, sieht die Verwaltung den Anstieg von Ausbildungsverhältnissen in dreistelliger Höhe von Ende 2024 im Vergleich zum Vorjahr. 2024 begannen etwa 240 mehr Jugendliche eine Ausbildung als im Vorjahr.
Die Kritik an der Umlage
Die IHK verweist auf aktuell fast 12.000 freie Ausbildungsplätze. „Die verfügbaren Plätze sind also nicht das Problem, sondern das Matching“, sagt Berlins IHK-Chefin Manja Schreiner.
Das ist bürokratischer Irrsinn, der darüber hinaus geeignet ist, dem Wirtschaftsstandort erheblichen Schaden zuzufügen.
Berlins IHK-Chefin Manja Schreiner
Die IHK selbst habe unter anderem zusätzliche Ausbildungsberater eingestellt und das Projekt Praktikumswoche ins Leben gerufen, bei dem Jugendliche im Rahmen von Tagespraktika viele unterschiedliche Berufsbilder kennenlernen können.
„Die Ausbildungsplatzumlage ist eine Behörde, die Geld umverteilt. Das ist bürokratischer Irrsinn, der darüber hinaus geeignet ist, dem Wirtschaftsstandort erheblichen Schaden zuzufügen“ sagt Schreiner. Die Umlage sei für das Ziel, mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen, nicht nur ungeeignet, sondern „definitiv kontraproduktiv“.
Auch die CDU in Berlin steht der Umlage skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Verabredung im Koalitionsvertrag – erst Bündnis, dann möglicherweise Einführung der Umlage – war ein klassischer Kompromiss.
Das Vorbild Bremen – Komplikationen bei der Einführung
Im Stadtstaat Bremen gilt seit Anfang des Jahres eine Ausbildungsabgabe. Mehrere Kammern klagten gegen den Vorstoß, doch ohne Erfolg. Ende vergangenen Jahres erklärte der Bremer Staatsgerichtshof die Abgabe für zulässig. Aktuell läuft für die Unternehmen noch die Registrierungsphase.
Ein Sprecher der Bremer Arbeitssenatorin sagte, damit seien auch Komplikationen verbunden. Tatsächlich hatte die Sozialbehörde wohl erst einmal Probleme, einen aktuellen Datensatz der zur Abgabe verpflichteten Unternehmen anzulegen. Handels- und Handwerkskammer etwa lehnten die Weitergabe ihrer Mitgliedsdaten mit Verweis auf den Datenschutz ab.
Wie aus einer Mitteilung des Bremer Senats hervorgeht, wurden schließlich rund 22.000 Infoschreiben versandt, von denen aber einige auch an bereits verstorbene Unternehmer gingen sowie an Vereine und Privatschulen, die die Abgabe gar nicht zahlen müssen.
Die IHK Bremen sagte auf Anfrage, viele ihrer Befürchtungen mit Blick auf das Instrument hätten sich bewahrheitet. Die Betriebe kämpften „mit einer Vielzahl ungeklärter Themen, beispielsweise, wie sich die anzugebende Bruttolohnsumme genau zusammensetzt“.
2250 Euro pro Azubi
Laut Bremer Regelung müssen die Unternehmen knapp 0,3 Prozent der Arbeitnehmerbruttolohnsumme in einen Fonds auszahlen. Den Unternehmen, die ausbilden, werden dann jährlich eine Ausgleichszuweisung von 2250 Euro pro Auszubildendem ausgezahlt.
Problematisch sei auch gewesen, dass Betriebe die Angaben zunächst nicht über Steuerberater abwickeln konnten, sondern über das Steuerverwaltungs-Tool Elster. Erst nach massiven Protesten sei der Weg über die Steuerberater ermöglicht worden. Laut einer Sprecherin der Bremer Arbeitssenatorin sollen die ersten Bescheide für die Ausbildungsprämie noch in diesem Monat verschickt werden.
Vom Beispiel Bremen könnte Berlin, sollte es die Umlage wirklich einführen, wohl viel lernen. Mit Bremen sei die Berliner Verwaltung im Austausch, heißt es von der Arbeitsverwaltung der Hauptstadt.
Ob die Umlage – selbst wenn das verabredete Ziel nicht erreicht wird – kommt, ist mehr als unsicher. Das liegt auch am Zeitpunkt: Anfang nächsten Jahres dürften CDU und SPD in den Wahlkampfmodus treten, bevor im Herbst 2026 das neue Abgeordnetenhaus gewählt wird. Die CDU könnte das Projekt verzögern, die SPD mit Verve dafür kämpfen – so könnte die Umlage ein geeignetes Thema zur Abgrenzung im Wahlkampf für beide Parteien sein.
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