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Lobbyregister geplant: Berlin will öffentlich machen, wer Einfluss auf Gesetze nimmt
Politische Prozesse sollen transparenter werden. Nun liegt ein Entwurf für ein Lobbyregister vor. Bei einem anderen Vorhaben gibt es weiter Probleme.
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Das Berliner Abgeordnetenhaus verordnet sich selbst ein Lobbyregister und will künftig mehr Transparenz in politische Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse bringen. Darauf haben sich die Koalitionsfraktionen von SPD, Linken und Grünen geeinigt. Einen gemeinsamen Antrag reichten sie am Mittwoch beim Parlament ein, er liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor.
Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, die Beteiligung von Interessenvertretungen wie Verbänden, Vereinen, Unternehmen oder Personengesellschaften an Gesetzgebungsverfahren in einem auf der Internetseite des Abgeordnetenhauses eingerichteten Lobbyregister öffentlich zu machen.
Von der Eintragungspflicht erfasst sind unter anderem Gutachten und Stellungnahmen, mit denen – gegenüber Abgeordneten, Fraktionen, Ausschüssen oder dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses sowie dem Senat – Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren genommen werden soll.
Erfasst werden sollen Name, Rechtsform und Adresse der Beteiligten, Interessenbereich und Schwerpunkt, die Äußerung zum jeweiligen Gesetzesvorhaben sowie eine Zusammenfassung dessen. Treten Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen oder sonstiger Unternehmen als Beteiligte auf, müssen diese ihre Auftraggeber benennen.
Mit dem Entwurf löst Rot-Rot-Grün eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag ein. Zur Begründung heißt es im Gesetz, „Transparenz und Öffentlichkeit sind zentrale Merkmale und Bedingungen einer funktionierenden Demokratie“.
Das Gesetz soll nach der Wahl in Kraft treten
Es sei Aufgabe des Parlaments, für mehr Durchschaubarkeit der Erarbeitungsprozesse zu sorgen, auch um die „Korruptionsgefahr“ zu senken.
Erreicht werden soll das durch die verpflichtende Veröffentlichung von Informationen zur Einflussnahme auf Gesetzgebungsprozesse, den sogenannten „legislativen Fußabdruck“. Inbegriffen sind Gesetze, die vom Senat erarbeitet und eingebracht werden. In Kraft treten soll das Gesetz mit Beginn der nächsten Wahlperiode.
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Die Verhandler der Koalitionsfraktionen lobten das Ergebnis ihrer als reibungslos beschriebenen Zusammenarbeit ausdrücklich. Zwar spiele die Musik beim Thema Lobbyismus dem SPD-Abgeordneten Frank Zimmermann zufolge „natürlich in der EU und vor allem im Bund“. „Aber auch in Berlin wollen wir die Lobbyarbeit transparenter machen“, sagte Zimmermann zur Begründung des Antrags für das Lobbyregister.
Michael Efler (Linke) sagte, Berlin werde „mit dem eingebrachten Gesetz das weitreichendste Lobbyregister aller Bundesländer schaffen. Interessenvertretung gehört zur Demokratie, muss aber transparent und nachvollziehbar sein“.
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Benedikt Lux, verantwortlicher Verhandler für die Grünen-Fraktion, kommentierte den Entwurf mit den Worten: „Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer mit welchen Inhalten an einem Gesetz mitgewirkt hat.“
Weil die Gesetzgebung auf Sachverständige und Interessensvertretungen angewiesen ist, sei es richtig, „nun vollumfänglich transparent zu machen, welche Beiträge in ein Gesetz eingeflossen sind.“
Probleme beim Transparenzgesetz
Bei einem anderen – ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehaltenen – Gesetzesvorhaben dagegen besteht noch Verhandlungsbedarf: Das Transparenzgesetz lässt weiter auf sich warten. Es war als Weiterentwicklung des seit 1999 bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes angekündigt worden, zuletzt forderte es eine gleichnamige Volksentscheid-Initiative ein.
Allerdings sind sich Grüne und Linke auf der einen und SPD auf der anderen Seite nicht einig. Ein vom Senat erarbeiteter und unter anderem von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Maja Smoltczyk, scharf kritisierter Gesetzentwurf liegt derzeit beim Abgeordnetenhaus.
Grüne und Linke kritisierten in erster Lesung die unter anderem in den Bereichen Bildung und Forschung vorgesehenen „Bereichausnahmen“ – also von der Veröffentlichungspflicht befreite Bereiche – und würden das Gesetz am liebsten „vom Kopf auf die Füße stellen“.
Die SPD wollte den Entwurf jedoch maximal in Details anpassen. Ob sich eine für alle Seiten tragbare Lösung – als Vorbild gilt das bereits 2012 in Hamburg beschlossene Transparenzgesetz – wird finden lassen, ist derzeit offen. Für die Linksfraktion hatte Michael Efler in einer Podiumsdiskussion angekündigt, notfalls auf das Gesetz zu verzichten. Robert Kiesel
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