zum Hauptinhalt
Geduldsprobe: Wer einen Termin beim Bürgeramt braucht, hat in Berlin ein Problem.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Behörden-Wahnsinn: Privatisiert die Passvergabe!

Wo der Staat versagt, sind andere Akteure gefragt. Das Beispiel Postprivatisierung zeigt, was bei Berlins Bürgerämtern möglich wäre. Ein Kommentar

Erinnern Sie sich noch, wie es früher war, ein Päckchen oder ein Einschreiben mit der Post zu verschicken? Damals, als das noch ausschließlich im Postamt ging und nicht auch in Spätis, Paketshops und bei anderen Dienstleistern? Ewig lange Warteschlangen, beschränkte Öffnungszeiten und oft auch noch schlecht gelaunte Menschen hinterm Schalter – ja, es war ein hoher Preis, den man bis in die frühen 1990er Jahre neben dem Porto für so eine Dienstleistung zahlen musste.

Also in etwa so wie heute, wenn man in Berlin einen Personalausweis beantragen oder einen Reisepass verlängern muss. Nur dass man hier, anders als damals zu Zeiten des Postmonopols, nicht mal weiß, ob man sein Ziel je erreicht.

Wer sich in diesen Tagen auf der vom Land Berlin betriebenen Website, die den so euphemistischen wie unverdienten Titel „service.berlin.de“ trägt, nach einem Termin beim Bürgeramt für diese Dienstleistung erkundet, bekommt die Auskunft, dass die bevorstehenden zwei Monate komplett ausgebucht sind – und zwar nicht nur im Amt um die Ecke, sondern in ganz Berlin. So, als sei die Dienstleistung am Bürger eine natürliche Ressource, die einfach irgendwann alle ist.
Das Grundprinzip von Angebot und Nachfrage scheint hier nicht zu existieren. Aber wieso eigentlich nicht? Wieso können diese Dienstleistungen, die der Staat unbedingt exklusiv anbieten will, aber dadurch offensichtlich überfordert ist, nicht einfach an Akteure delegiert werden, die so etwas besser können?

Für einen neuen Reisepass kassieren die Bürgerämter je nach Umfang des Dokuments 60 bis 80 Euro – und das für ein Produkt, dessen Herstellung nach Angaben des Bundesinnenministeriums inklusive Verwaltungskosten gerade mal etwas über 40 Euro kostet.

„Berlin hat einen Stempelfetisch“

Bei dieser Gewinnspanne sollten sich doch private Betreiber leicht finden lassen, die die Vergabe dieser Dokumente organisieren und dabei vielleicht auch noch ein paar dringend überfällige Innovationen ausprobieren. Wie wäre es zum Beispiel, wenn Bürger ihren Antrag einfach per Post oder gar online stellen können?

Berlins Behörden sind chronisch überlastet, hier eine Szene aus dem Wartebereich eines Bürgeramtes.
Berlins Behörden sind chronisch überlastet, hier eine Szene aus dem Wartebereich eines Bürgeramtes.

© imago images/BRIGANI-ART

„Berlin hat einen Stempelfetisch“, hat ein IT-Experte aus der Schweiz unserer Stadt neulich im Tagesspiegel bescheinigt. Bei der Post ist es gelungen, diesem Fetisch zu entsagen – das muss doch auch in anderen Bereichen möglich sein.

Natürlich ist die Privatisierung keine Allzwecklösung, vor allem nicht, wenn sie ohne klare Vorgaben und ohne Kontrolle durch staatliche Institutionen verläuft, die auch bei privatisierten Leistungen sicherstellen müssen, dass alles den Regeln entspricht und primär die Bürger:innen davon profitieren, nicht die Unternehmen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das Beispiel der lange Zeit unter Profitdruck heruntergewirtschafteten S-Bahn oder auch die intransparente Vergabe der Lizenzen für Corona-Teststellen vor allem in Berlin zeigen, dass öffentliche Angebote nicht automatisch besser werden, wenn sie von gewinnorientierten Unternehmen betrieben werden.

Aber zumindest was eigentlich einfache Leistungen wie das Beantragen und Verteilen von Ausweisdokumenten angeht, kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen: Schlechter als Berlin wird es ein privater Anbieter kaum handhaben – ansonsten stünde schon die Konkurrenz vor der Tür, um es besser zu machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false