Berlin: Berliner forschen für die Welt
Für ausländische Unternehmen ist die Stadt ein begehrter Wissenschaftsstandort
Da strahlte die Bundesforschungsministerin: Am vergangenen Sonntag konnte Annette Schavan verkünden, dass Deutschland einen Spitzenplatz unter den Forschungsstandorten einnimmt. Über zwölf Milliarden Euro im Jahr investieren ausländische Firmen in Deutschland, hat eine Studie ermittelt. Im internationalen Vergleich wird Deutschland demnach bei den Forschungsausgaben internationaler Konzerne nur noch von den USA übertroffen, in die rund 26 Milliarden Euro fließen. Im Wettbewerb um die privaten Forschungsetats ist auch die Region Berlin-Brandenburg gut aufgestellt.
Ein Beispiel ist der britische Triebwerkshersteller Rolls-Royce. In Dahlewitz vor den Toren der Hauptstadt beschäftigt er 400 Ingenieure, allerdings nicht alle in der Forschung und Entwicklung. Vor wenigen Monaten hat sich Rolls-Royce entschieden, ein Triebwerksprogramm von Großbritannien nach Berlin zu verlagern und dafür 120 zusätzliche Ingenieure einzustellen.
In Dahlewitz hat Rolls-Royce die Triebwerke der BR700-Familie entwickelt, die die Flugzeughersteller BAe Systems, Bombardier und Gulfstream einsetzen. Für neue Entwicklungsprojekte hat Rolls-Royce letztes Jahr gemeinsam mit der Technischen Universität Cottbus ein Technologiezentrum eröffnet. Das an der brandenburgischen Hochschule angesiedelte Zentrum forscht für Rolls-Royce an neuen Gasturbinen.
Mit seiner Standortentscheidung steht Rolls-Royce nicht alleine da. Allerdings liegen weder Wirtschaftsverwaltung noch Forschungssenat genaue Zahlen darüber vor, wie viele Menschen für ausländische Konzerne in der Region forschen. In ganz Deutschland sind es 72 300 Menschen. Auch der amerikanische Telekommunikationskonzern Motorola und der Aufzughersteller Otis unterhalten Forschungseinrichtungen in Berlin. In Borsigwalde hat Otis sein Zentrum für die Entwicklung von elektronischen Steuerungen für Aufzüge. Otis gehört zum US-Technologiekonzern UTC.
Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik, Stefan Jähnichen, hält Berlin für einen hervorragenden Forschungsstandort, der auch im Ausland einen hervorragenden Ruf genieße. „Wir haben ja wirklich eine Ballung von wissenschaftlicher Exzellenz in Berlin, speziell in Adlershof“, sagt er. In den Bereichen Medizin, Optik, Materialforschung sowie Information und Kommunikation treffen ausländische Firmen hier auf viele Experten. Das Fraunhofer-Institut siedelt in bester Gesellschaft: „Wir haben in Adlershof 13 Forschungseinrichtungen und 300 innovative Unternehmen“, berichtet Lydia Dessau, die für das dortige Internationale Gründerzentrum verantwortlich ist.
Auch die Berliner Universitäten forschen für ausländische Unternehmen. Die Technische Universität bearbeitet derzeit rund 20 Projekte für Ausländer, ihr Volumen beträgt 2,8 Millionen Euro. Zu den Auftraggebern zählen Honda, Volvo und Cisco, berichtet Forschungsreferent Lothar Bauch.
Das Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik in Adlershof kooperiert ebenfalls mit ausländischen Unternehmen. Direktor Günther Tränkle möchte seine Entwicklungen aber lieber an deutsche Firmen geben, damit diese mit innovativen Produkten hier Arbeitsplätze schaffen. „Man muss aufpassen, dass das Know-how nicht abfließt“, erklärt er. Der Verkauf eigener Erfindungen an andere Unternehmen lohne sich kaum, meint Tränkle: „Man kriegt in den seltensten Fällen die Entwicklungskosten wieder rein.“
Die Konkurrenz zwischen den deutschen Regionen um Forschungsetats ist groß: General Electric zum Beispiel hat sein europäisches Forschungszentrum 2003 in München gebaut. Auch Berlin galt als aussichtsreicher Kandidat für das Prestige-Projekt.
Friedrich Geiger