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Der Modernisierer. Stephan Schwarz hat die Firmenleitung nach dem Tod seines Vaters übernommen und das Familienunternehmen umstrukturiert.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Gebäudereiniger feiert 100. Geburtstag: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsere Stars“

100 Jahre in Berlin: Gebäudereiniger GRG ist ein Familienbetrieb in dritter Generation. Die Beschäftigten aus 110 Nationen werden jetzt groß gefeiert.

Feudel oder Putzeimer werden die Damen und Herren nicht dabeihaben, wenn sie über den roten Teppich ins Tempodrom schreiten. Eine bunte Truppe aus vielen Nationen wird das sein, die sich Mitte Juni zu einer großen Sause in Berlin versammelt. Eigentlich sind mittelständische Familienunternehmen bescheiden und zurückhaltend, doch die Berliner Gebäudereinigerfirma GRG lässt es richtig krachen.

Etwa 2800 der 4300 Beschäftigten erwartet GRG-Geschäftsführer Stephan Schwarz zur Geburtstagsfeier in Berlin. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsere Stars, die wollen wir feiern“, sagt der Chef des Gebäudereinigers, der über viele Jahre auch als Präsident der Berliner Handwerkskammer wirkte.

In Kreuzberg ging es los

Sein Großvater Walter Schwarz hatte am 20. Februar 1920 in Kreuzberg die Glasreinigungsgesellschaft (GRG) mit zwei Angestellten gegründet. Abgesehen von den Nazi-Jahren und den Turbulenzen nach dem Mauerbau ging es stetig bergauf. Fenster müssen regelmäßig geputzt werden, Schaufenster sowieso und die gläsernen Fassaden von Bürogebäuden auch.

„Wir haben immer schwarze Zahlen geschrieben und mussten deswegen nie Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen“, erzählt Stephan Schwarz, der die Familienfirma in der dritten Generation führt. Sein Bruder Heiko ist für die Niederlassung in Hamburg zuständig.

„Das Wichtigste ist der Mitarbeiter“

Bei Dienstleistern mit einem Lohnkostenanteil von mindestens 80 Prozent ist der Stellenwert der Beschäftigten besonders hoch. 1970 hieß es anlässlich des 50. Geburtstags, neben der technischen Entwicklung und dem sozialen Fortschritt hätte die „dynamische Unternehmensführung“ die GRG verändert.

„Das Wichtigste jedoch ist gleich geblieben: der Mitarbeiter.“ Und für den beziehungsweise die Mitarbeiterinnen haben sich Walter Schwarz, anschließend sein Sohn Hans-Jochen und dann wiederum dessen Sohn Stephan immer etwas einfallen lassen.

Sprachunterricht für Mitarbeiterinnen

Eine Unterstützungskasse hilft zum Beispiel bei Zahnersatz; in der hauseigenen Akademie wird Sprachunterricht angeboten und Walter Schwarz lockte einst jugoslawische Arbeitskräfte mit Werkswohnungen nach West-Berlin, als im August 1961 ein Drittel der Belegschaft hinter der Mauer verschwand und dringend neues Personal gebraucht wurde.

Heute besorgt die GRG Unterkünfte im Raum Passau für rumänische Arbeitskräfte, die in der Reinigung von Krankenhäusern und Kurkliniken eingesetzt werden. „Die kommen nur, wenn es Wohnungen gibt und wir die Behördengänge erledigen“, erzählt Stephan Schwarz.

2000 Beschäftigte in Berlin

Menschen aus 110 Nationen arbeiten für die GRG, allein in Berlin sind es knapp 2000, die Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels und Botschaften, Bürogebäude und Fitnessstudios säubern. „Wir verstehen uns als Familienunternehmen – man hat nicht nur einen Job, sondern ist Teil der Gemeinschaft. Das gibt Wärme“, beschreibt Schwarz die besondere Firmenkultur, die zu einer „ziemlich geringen Fluktuation im Vergleich zur Branche“ beigetragen habe. Die GRG wurde mehrmals als bester Arbeitgeber der Branche gekürt.

Das spricht sich rum. Jährlich erreichen die GRG in ihrem Hauptsitz in der Charlottenburger Fasanenstraße rund 12 000 Bewerbungen. Im Moment sucht die Firma vor allem Arbeitskräfte für den BER: Mit rund 300 Leuten wird GRG ab Herbst den neuen Flughafen reinigen.

Der Gründer. Walter Schwarz (dritter von links mit Hut) im Jahr 1930 vor dem Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz – einem der ersten Großkunden der Firma.
Der Gründer. Walter Schwarz (dritter von links mit Hut) im Jahr 1930 vor dem Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz – einem der ersten Großkunden der Firma.

© promo/GRG

Das Berliner Unternehmen beschäftigte bereits 1930 – und damit zehn Jahre nach der Gründung – gut 400 Mitarbeiter; die neuen Kaufhäuser mit ihren großflächigen Glasfronten machten viel Arbeit. Nach dem Krieg begann Walter Schwarz Anfang der 50er Jahre von vorn und hatte bereits Anfang der 1960er knapp 500 Reinigungskräfte an Bord.

1970, als der Sohn Hans-Jochen die Firma übernahm, zählte die Belegschaft 1500 Köpfe. West-Berlin war damals eingemauert und die Geschäftsmöglichkeiten begrenzt, weshalb Schwarz 1971 in Hamburg die erste Niederlassung eröffnete. Inzwischen ist das Unternehmen in fast jeder der elf deutschen Metropolregionen vertreten. Frankfurt am Main und Stuttgart fehlen noch, aber das soll sich demnächst ändern.

Tödlicher Unfall in Afrika

1996 verunglückte der Hobbypilot Hans-Jochen Schwarz tödlich, als das Flugzeug über Sambia in einen Tropensturm geraten war und abstürzte. Stephan, der älteste von drei Söhnen, übernahm die Firma. Am Tag nach dem Unglück sei die Aufforderung von allen Seiten gekommen, erinnert sich Stephan Schwarz: „Du musst es jetzt machen.“ Für ihn eine abenteuerliche Vorstellung. „Ich war ja eher ein verträumter Philosoph und Historiker und wollte nicht ins Unternehmen.“ Schwarz hatte in Paris studiert und dort für einen Verlag gearbeitet. Er übernahm die Firmenleitung, verzichtete einige Jahre auf Urlaub und entwickelte „ziemlich schnell Freude an der Arbeit, obwohl das damals stark hierarchisch strukturierte Unternehmen überhaupt nicht zu mir passte“.

Nur noch Gebäudereinigung

Das eigene Unternehmen modernisierte Schwarz ebenso wie die Berliner Handwerkskammer, als deren Präsident er zwischen 2003 und 2019 amtierte. In jene Zeit fiel auch ein Strategiewechsel, der ziemlich untypisch ist für die Branche: Während sich große Dienstleister wie Wisag oder Dussmann als Facility Manager profilierten und diverse Leistungen rund ums Gebäude ins All-inclusive-Programm nahmen, konzentrierte sich die GRG auf die Gebäudereinigung.

Den Umsatz in zehn Jahren verdoppelt

Bewachung, Schneebeseitigung, technische Dienstleistungen oder Catering – die GRG gab das alles auf. „Wir stehen zur Gebäudereinigung und beschränken uns darauf. Das hat uns Glaubwürdigkeit gebracht“, sagt Schwarz. Und Wachstum. Das Unternehmen sei in der vergangenen Dekade schneller gewachsen als der Markt, der Umsatz verdoppelte sich von 50 auf 102 Millionen Euro. So kann es weitergehen. Sein Wunsch für die kommenden Jahre: „Mehr Anerkennung für die Gebäudereiniger.“ Idealerweise so wie in Skandinavien, wo das Putzen eine gesellschaftlich geschätzte Dienstleistung ist mit Stundenlöhnen zwischen 14 und 15 Euro.

Stundenlohn von 10,80 Euro

Hierzulande liegt der Branchen-Mindestlohn bei 10,80 Euro. Das reicht nicht zum Leben – und schon gar nicht, wenn der Arbeitstag nach ein paar Stunden schon wieder vorbei ist: Gereinigt wird in der Regel nur am frühen Morgen, bevor die Angestellten ins Büro kommen. Schwarz würde gerne das „Daycleaning“ verbreiten – damit seine Angestellten länger arbeiten können, die Kunden direkten Kontakt mit den Putzkräften bekommen und dadurch „ein größeres Sauberkeitsempfinden entwickeln“, wie er meint.

Vier Fünftel sind Frauen

Etwa vier Fünftel der 4300 GRG-Beschäftigten sind weiblich. „Es gibt Tätigkeiten, die eine Frau nie verlernt.“ Mit diesem Chauvi-Spruch warb die GRG in den 1970er Jahren in der Berliner U-Bahn um Mitarbeiterinnen. Schwarz ist das heute peinlich. Er weiß, was er hat an seinen Leuten. „Die Reinigung ist ein harter Job, der leider nicht die Wertschätzung erfährt, die er verdient.“ Bei der Geburtstagsparty Mitte Juni wird das anders sein.

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