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Zu Ehren der ermordeten Deutsch-Türkin Hatun Sürücü wird der Preis verliehen.

© Lukas Schulze/dpa

Hatun-Sürücü-Preis: Berliner Mädchen-Wohngruppe ausgezeichnet

Am kommenden Mittwoch jährt sich der Todestag von Hatun Sürücü zum 13. Mal. Die Grünen-Fraktion lobte heute den jährlichen Hatun-Sürücü-Preis für selbstbestimmte Mädchen und Frauen aus.

Von Sabine Beikler

Zum dreizehnten Mal jährt sich am kommenden Mittwoch der Todestag von Hatun Sürücü. Die 23-jährige Deutsch-Türkin ist am 7. Februar 2005 wegen ihres westlichen Lebensstils von ihrem Bruder Ayhan mit drei Kopfschüssen an einer Bushaltestelle in Tempelhof ermordet worden. Zum Gedenken an diese Frau lobt die Grünen-Fraktion seit 2013 den Hatun-Sürücü-Preis für Projekte aus, die sich für die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen engagieren.

Am Freitagabend wurde dieser Preis zum sechsten Mal vergeben: Den mit 500 Euro dotierten ersten Preis erhielt „Donya“, eine Wohngruppe für Mädchen aus verschiedenen Kulturen in Krisensituationen. Der zweite Preis geht an den Verein „von Meisterhand“, gefolgt vom „Schilleria Girlsclub“.

Angst vor Zwangsheirat und Gewalt

In der 2008 gegründeten Wohngruppe „Donya“ leben neun Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren. „Wir achten darauf, dass die Gruppe genauso wie die Kolleginnen aus unterschiedlichen Kulturen stammen“, sagt eine Mitarbeiterin von Donya. Die jungen Frauen werden über das Jugendamt an die Wohngruppe vermittelt.

Sie alle haben Gewalt oder Vernachlässigung in den Familien erfahren oder stecken in Konfliktsituationen, die sie nicht allein lösen können. Und es gibt immer wieder junge Frauen, die Hilfe suchen, weil sie Angst haben, von ihrer Familie zwangsverheiratet zu werden und davor flüchten – oft unter Todesangst, von ihren Angehörigen gefunden zu werden.

Die jungen Frauen werden in der Wohngruppe gefördert und zu einem selbstständigen Leben herangeführt. Sechs festangestellte Mitarbeiterinnen und Vertreterinnen arbeiten in dem Projekt unter dem Dach von Wildwasser, einer Arbeitsgemeinschaft gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen. Die Wohngruppe Donya ist auch auf Spenden angewiesen, um zum Beispiel Reisen oder Ausflüge für die Mädchen zu finanzieren.

Deutschkurse, Yoga und Behördengänge

Der mit 300 Euro dotierte zweite Preis geht in diesem Jahr an den Verein „von Meisterhand“ in der Neuköllner Kienitzer Straße. Seit 2012 arbeitet der gemeinnützige Verein für Integration, Bildung und Kunsthandwerk mit arbeitslosen Migrantinnen „auf Augenhöhe“, wie die Modedesignerin und Geschäftsführerin Ann-Kathrin Carstensen betont. In dem Verein werden Deutschkurse und Yogaunterricht angeboten.

Die Frauen werden auch bei Behördengängen unterstützt. Der Fokus liegt aber darin, dass die muslimischen Frauen ihre handwerklichen Fähigkeiten wie komplexe Häkel- oder Knüpftechniken ausüben können. Der Verein produziert für Designer. Aber auch Privatpersonen fragen dort nach handwerklichen Arbeiten. Die Frauen werden dafür auch bezahlt. „Wir haben auch eine gute Kooperation mit dem Jobcenter Neukölln“, betont Carstensen.

„Alle sind anders, alle sind gleich“

Der „Schilleria Girlsclub“ in der Weisestraße in Neukölln erhält den mit 200 Euro dotierten dritten Preis. Die Schilleria war wie berichtet vor kurzem wegen Mieterhöhungen von der Schließung bedroht. Diese konnte abgewendet werden, sagt Gabriele Heinemann, Geschäftsführerin des Vereins „Madonna Mädchenkultur“ und Trägerin der „Schilleria“, die als einzige Mädcheneinrichtung seit 2003 im Schillerkiez existiert.

Der Girlsclub bietet Mädchen und Frauen im Alter von sieben bis 19 Jahren unter dem Motto „Alle sind anders, alle sind gleich“ Freizeitangebote. Täglich treffen sich dort 20 bis 25 junge Frauen, die an Theater-, Rap-, Tanz- und Graffiti-Workshops teilnehmen. Hausaufgabenhilfe, Computerschulungen oder Videos drehen gehören auch zum Schilleria-Angebot. Der Mädchenklub wird vom Jugendamt Neukölln finanziert.

Eine fünfköpfige Jury hatte die Preisträger für den Hatun-Sürücü-Preis ausgewählt. Die Preise werden von Privatpersonen gestiftet. „Wir wollen mit dem Preis an Hatun Sürücü erinenrn, die gegen alle Widerstände ein selbstbestimmtes Leben geführt hat“, sagt Anja Kofbinger.

Zwölf Jahre nach dem Mord an Hatun Sürücü sprach Ende Mai vergangenen Jahres ein Gericht in Istanbul zwei ihrer Brüder aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf wegen Beihilfe zum Mord frei. Das Gericht hatte Mutlu und Alpaslan Sürücü von dem Vorwurf freigesprochen, die Tatwaffe für den Mord an ihrer Schwester besorgt und ihren jüngeren Bruder Ayhan zu den Schüssen animiert zu haben.

Die beiden Brüder waren zunächst vom Berliner Landgericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil 2007 auf. Danach setzten sich die beiden an den Bosporus ab. Die Türkei lehnte ein Aushilfeersuchen ab, da es sich um türkische Staatsbürger handelt. Die türkische Justiz nahm 2013 selbst Ermittlungen gegen die Brüder auf. Der Prozess begann Anfang 2016.

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