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Der Messwagen hat Laserscanner an Front und Heck sowie unter dem Boden. Auf dem Dach sind Kameras.

© Stefan Jacobs

Berliner Nebenstraßen im Check: Schlagloch, Kanaldeckel oder Herbstlaub – Untersuchung mit Lasern und Kameras

Ein Sprinter schleicht durch die Stadt, um für den Senat den Zustand der Fahrbahnen zu erfassen. Vier Bezirke sind jetzt dran, die anderen folgen.

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Torsten Schmöckel nennt seinen Arbeitsplatz „mein Spielzimmer“ und beginnt mit einem Lob für Berlin: „Hier gibt’s wenigstens ordentliche Radiosender.“ Dieser Standortvorteil der Hauptstadt ist dem Mann wichtig, der sonst in Jena wohnt und für ein Essener Unternehmen gerade wochenlang durch Berlin fährt mit seinem BSR-orangenen Mercedes Sprinter, den man von weitem tatsächlich für eine Kehrmaschine halten könnte oder für die Straßenmeisterei.

Aber Schmöckel putzt und repariert nichts, sondern dokumentiert: Im Auftrag des Senats erfasst er mit Dutzenden Sensoren den Zustand des Berliner Nebenstraßennetzes. Nachdem die Hauptstraßen schon 2020 abgefahren wurden, sind jetzt 1800 Kilometer Nebenstrecken in den ersten vier Bezirken dran: Lichtenberg hat Schmöckel schon abgegrast; jetzt rollt er durch Reinickendorf, danach folgt Pankow. Um Mitte kümmere sich ein Kollege von einer Partnerfirma. Die anderen Bezirke kommen erst in den nächsten beiden Jahren an die Reihe.

Die Zentrale von Schmöckels Spielzimmer ist ein PC neben dem Fahrersitz, dessen Monitor live die gesammelten Daten zeigt – also das, was Dutzende Laserscanner und Sensoren registrieren, die in einem Metallbügel vor der Stoßstange sitzen, der selbst mit hochgeklappten Ecken noch breiter ist als der Rest des Vans.

Zusammen mit weiteren Sensoren unterm Fahrzeugboden registriert das Auto Fahrbahnschäden längs wie quer; die Elektronik im Laderaum speichert den Datenberg. Der besteht außerdem aus Bildern von den Kameras auf dem Dach und am Heck des Sprinters: Die auf dem Dach dienen der Orientierung und erleichterten Auswertung später in der Firma.

Die am Heck – wo die Kamera direkt nach unten schaut – zur optischen Dokumentation der Oberfläche. Denn es hilft den Kollegen im Büro später sehr, wenn sie bei der Aufbereitung der Daten nachschauen können, ob ein vermeintliches Schlagloch doch nur ein Kanaldeckel war und ob das fürchterliche Gebirge auf dem Laser-Bild eher aus Herbstlaub auf der Fahrbahn resultiert oder ob es wirklich so schlimm um die Straße steht.

20 bis 30 Mess-Kilometer schaffe er am Tag, sagt Schmöckel. Auf den Hauptstraßen war es dreimal so viel, aber jetzt muss er langsamer fahren und oft rangieren, zumal er auch Sackgassen checkt und der Wagen mit den Gestellen an Front und Heck relativ unhandlich ist.

Torsten Schmöckel fährt mit dem Messwagen monatelang durch Berlins Nebenstraßen.

© Stefan Jacobs

Die Technik sei eine eigene Konstruktion der Firma und sicher einen sechsstelligen Betrag wert, schätzt Schmöckel. Besondere Angst um das Auto scheint er aber nicht zu haben. Eine unauffällige Flucht wäre für Diebe ohnehin schwierig.

Über die Berliner Straßen kann Schmöckel nicht mehr Schlechtes sagen als über die in anderen Städten: Relativ viel Kopfsteinpflaster in Lichtenberg vielleicht, aber sonst sehe jeder Anwohner natürlich vor allem die Straßenschäden in seinem Kiez, das sei eben so. Auch die Autofahrer seien in Berlin nicht unbedingt schlimmer als anderswo. Ein dickes Fell brauche man mit dem Messwagen ohnehin, und im Übrigen finde er nicht, „dass ich derjenige bin, der zurückfahren muss, wenn es zu eng wird“.

Wie oft die Straßen geprüft werden, ist auch eine Kostenfrage

Wenn Schmöckel wieder eine Straße gescannt hat, greift er zum Edding und zieht eine grüne Linie in seinem Papierstadtplan auf dem Beifahrersitz. Er dachte mal, es gehe auch ohne Papier, aber so fühle es sich besser an, sagt er. Außerdem kann er mit rotem Edding auch baustellenbedingte Lücken markieren und mit Gelb Stellen, an denen er nicht durchkam, weil beispielsweise eine Straße doch nicht öffentlich war.

Die digitale Zustandserfassung ist in größeren Städten inzwischen Standard, während kleine Kommunen eher eigenes Personal mit Klemmbrett losschicken. Zumal die Aktion teuer ist: 530.000 Euro hat nach Auskunft der Verkehrsverwaltung die Befahrung des Hauptstraßennetzes gekostet, jetzt rechne man mit einer Million fürs Nebennetz. Idealerweise würde die Prozedur alle fünf Jahre wiederholt, aber das sei auch eine Geldfrage.

Wenn die Daten – aufbereitet und mit anonymisierten Gesichtern und Nummernschildern wie bei Google Street View – dann der Berliner Verwaltung übergeben werden, gibt es erstmals eine digitale Übersicht für die gesamte Stadt. Wo dann die Reparaturtrupps anrücken, hängt nach Auskunft einer Fachfrau aus der Verkehrsverwaltung aber oft von anderen Dingen ab – etwa vom nächsten Wasserrohrbruch.

Bei gutem Wetter fährt Schmöckel solange es hell ist. Bei Regen hat er Zwangspause, ab dem Spätherbst „mache ich Winterschlaf“. Die bis dahin gesammelten Überstunden reichen normalerweise bis zum Frühjahr, sagt er.

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