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Seit 14 Jahren ist Teach First in Deutschland aktiv.

© FREDERIK FERSCHKE

Update Exklusiv

Berliner Millionenkürzung soll abgewendet werden: Brennpunktschulen appellieren via Anzeige an das Parlament

Das Netzwerk von „Teach First“ gilt als zentraler Hebel, um gefährdete Schüler zum Schulabschluss zu bringen. Dennoch ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Das machten elf Schulleiter im Tagesspiegel öffentlich.

Stand:

Außergewöhnliche Nöte bedürfen außergewöhnlicher Aktionen. Das haben sich offenbar elf Schulleitungen von Berliner Brennpunktschulen gesagt, als sie sich wegen einer drohenden Millionenkürzung zu einem offenen Brief an das Berliner Parlament entschlossen: Der steht an diesem Dienstag als halbseitige Anzeige im Tagesspiegel.

Es geht um die gemeinnützige Bildungsinitiative „Teach First“. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Schullabbrecher zu senken und verfolgt somit eine der zentrale Aufgaben im Bildungsbereich. Da in Berlin überproportional viele Jugendliche keinen Abschluss schaffen, gehört Berlin zu den Bundesländern, die sich schon vor über zehn Jahren für eine Förderung der Initiative entschieden haben. Dabei werden vor allem Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) eingesetzt.

Es klafft eine Lücke von 1.945.211 Millionen Euro.

Aus dem offenen Brief der Schulleitungen

Seit Monaten schon gab es Warnungen, dass neue Geldquellen gefunden werden müssten, da der ESF als Mittelgeber wegfalle. Im aktuell umkämpften Haushaltsentwurf für 2024/25 stehen denn auch 470.000 Euro mehr als 2023, wie die Schulleitungen in ihrem Brief vorrechnen. Dennoch bleibe eine Lücke von fast zwei Millionen Euro, da die Summe der wegfallenden ESF-Mittel höher sei als die gestiegenen, regulären Haushaltsmittel. So entschied Teach First, den Brief der Schulleitungen als Anzeige zu schalten.

20
frisch eingestellte Mitarbeiter müssten in der Probezeit entlassen werden, warnen die Schulleitungen.

Die Schulleitungen erläutern auch die Konsequenz des drohenden Einschnitts: „Sollte es bei der bisher vorgesehenen Summe bleiben, dann müsste allen 20 gerade erst im neuen Schuljahr eingestellten Fellows noch während der Probezeit gekündigt werden“. Als „Fellows“ werden die bei Teach First eingesetzten Betreuer bezeichnet. Das Geld würde demnach nur noch für das zweite Jahr der bereits seit einem Jahr tätigen Mitarbeiter reichen.

Oftmals bleiben Fellows als dringend benötigte Quereinsteiger im Brennpunkt

Was die Schulen zusätzlich verunsichert: Ein Teil der Fellows konnte anschließend immer für den schulischen Quereinstieg ins Lehramt geworben werden – gerade im Brennpunkt eine zentrale Frage. Auch dieser „Mehrwert“ der Fellows fiele dann weg.

„Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie schätzt das Engagement dieser Nichtregierungsorganisation“, betonte am Montagabend ein Behördensprecher von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) auf Anfrage. Als Reaktion auf die Anzeige der Schulleitungen teilte er mit, dass „zur Sicherstellung der Finanzierung derzeit im Rahmen der parlamentarischen Haushaltsberatungen Gespräche mit den Koalitionsfraktionen stattfinden“.

Die Hellersdorfer Mozart-Schule gehört zu den Teach-First-Schulen und ist auf diese Art der Unterstützung angewiesen. Darum unterschrieb auch ihre Leitung den Offenen Brief in der Tagesspiegel-Anzeige.

© Kitty Kleist-Heinrich

Auch die SPD-Abgeordneten Maja Lasic und Marcel Hopp äußerten sich optimistisch. Die bisher bei etlichen Trägern vorgesehenen Kürzungen seien „misslich“, aber es sei „nicht zu spät“.

Wir sind zuversichtlich.

Die SPD-Bildungspolitiker Maja Lasic und Marcel Hopp

Die aktuelle Beratung der Fachpolitiker im Parlament bis 12. Oktober diene dazu, „undurchdachte Kürzungen“ zu korrigieren: „Wir setzen uns bei allen betroffenen Trägern dafür ein und sind zuversichtlich“, so Lasic und Hopp, die beide Mitglieder im Bildungsausschuss sind, gegenüber dem Tagesspiegel.

Unterschrieben wurde der in der Anzeige enthaltene offene Brief an die „sehr geehrten Abgeordneten im Bildungsausschuss“ von elf betroffenen Schulen, darunter die Kepler-Schule, die vor einigen Jahren durch ihren besonders eklatanten Anteil von Schülern ohne Abschluss – es waren etwa 40 Prozent – bekannt wurde.

Das sind die Schulen, die um ihre jungen Mitarbeiter bangen

Bei den weiteren Unterzeichnern handelt es sich um die Leitungen der Wolfgang-Amadeus-Mozart-, Otto-Hahn-, Willy-Brandt-, Johanna-Eck-, Alfred-Nobel-, Herbert-Hoover- und Zuckmayer-Schule sowie um die Friedenauer Gemeinschaftsschule, die Schule am Schillerpark und die Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg.

Teach First Deutschland macht seit zehn Jahren Kinder und Jugendliche in sogenannten Brennpunkten stark.

Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten und Teach-First-Schirmherrin

Der Campus Efeuweg sowie die Otto-Hahn- und Kepler-Schule sind als Neuköllner Schulen gleichzeitig von der Streichung der Wachschützer betroffen.

Die Fellows werden vor allem in den Klassen 9 und 10 eingesetzt mit dem Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler eine Anschlussperspektive erhalten – entweder durch eine Berufsausbildung oder eine weiterführende Schule. Sie kümmern sich daher besonders um den Übergang von der Schule in den Beruf.

Gibt es einen Zusammenhang zum neuen Startchancenprogramm?

Um die Abschluss- und Anschlussperspektiven geht es auch beim neuen Startchancenprogramm von Bund und Ländern. Da aus diesem Programm ab Sommer 2024 allein für Berlin jährlich etwa 47 Millionen Euro fließen sollen, wurde am Montag die Vermutung geäußert, dass die Bildungsverwaltung das Geld für Teach First künftig unter Umständen aus dem Startchancenprogramm finanzieren will, da die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds fehlen. Dies ließ sich am Montagabend nicht mehr verifizieren.

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