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Ehrenmord oder Femizid? Sozial- und Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) zog ihre Einschätzung zum Mord an einer Afghanin nach viel Kritik zurück.

© Annette Riedl/dpa

Berliner Senatorin zieht „Ehrenmord“-Aussage zurück: Wer Probleme nicht benennt, wird sie nicht lösen

Die mutmaßliche Ermordung einer Afghanin durch ihre Brüder sei übliche Gewalt gegen Frauen, sagte Elke Breitenbach. Dann relativierte sie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Bachner

Elke Breitenbach von der Linkspartei, die Berliner Senatorin für Soziales, Arbeit und Integration, hat die Kurve noch bekommen. Sie hat ihre hoch umstrittene Aussage im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen „Ehrenmord“ an einer afghanischen Mutter durch ihre Brüder relativiert. Ursprünglich hatte sie erklärt, es handele sich nicht um einen Ehrenmord, obwohl die Staatsanwaltschaft genügend Hinweise hatte.

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Für Breitenbach war die Tat ein Femizid, wie er jeden dritten Tag in Deutschland vorkomme. Es gehe bei den Tätern nicht um die Herkunft und die Nationalität der Männer. Am Montag dann die Kehrtwende: Femizid verwende sie, sagte die Senatorin, weil es bei Mord keine Ehre gebe. Breitenbach hatte fast zwei Tage lang an ihrer ursprünglichen Aussage festgehalten. Erst auf den öffentlichen Aufschrei hat sie dann schließlich reagiert.

Auch deutsche Männer morden aus Gekränktheit

Das Grundproblem aber bleibt. Der sogenannte Ehrenmord ist eine spezielle Form des Femizids, und man kann ihn nicht einfach unter diesem Oberbegriff verschwinden lassen. Natürlich: Auch deutsche Männer ermorden ihre Frauen, aus Eifersucht, aus einer Kränkung heraus, so gesehen spielt Nationalität tatsächlich keine Rolle. Es sind alles furchtbare Fälle.

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Aber einen Unterschied zu den Ehrenmorden gibt es dann doch: Deren Täter stammen aus Ländern, in denen patriarchalische Strukturen in der Gesellschaft noch verankert sind. In Ländern wie Afghanistan oder Syrien ist es oft noch Tradition, dass Frauen kontrolliert und von männlichen Familienmitgliedern massiv unterdrückt werden. Die regionalen Sitten kennen keine sexuelle Selbstbestimmung, und oftmals wird den Frauen verboten, mit familienfremden Männern auch nur zu sprechen.

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Wenn nun Männer, die so sozialisiert wurden, diese anerzogenen Gewissheiten hierzulande ausleben, spielt die Herkunft für die Problemanalyse sehr wohl eine Rolle. Und auch dafür, wie man dagegen vorgehen will und kann. Das ist umso wichtiger, als die archaischen Wertvorstellungen auch hierzulande noch weitergegeben werden. Es gibt genügend Lehrkräfte, die auf hiesigen Schulhöfen beobachten, wie Mädchen von ihren Brüdern eingeschüchtert oder drangsaliert werden.

Doch diese Strukturen kann man nicht aufbrechen, wenn man aus einem verengten Weltbild heraus dazu neigt, in Menschen aus anderen Kulturkreisen grundsätzlich nur vor Benachteiligung zu schützende Menschen zu sehen. Und dass sie so denkt, ist ein Eindruck, den man bei Berlins Senatorin haben kann. Es gibt genug ehemalige Flüchtlinge, die gut integriert sind, aber wer die Problemfälle ausblendet, der verliert nicht bloß die unterdrückten Frauen und Mädchen aus dem Blick, der schwächt die Akzeptanz der Bevölkerung für Integrationspolitik.

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