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Ein Geburtstag, zweifach Grund zur Freude: Wegner feiert 100 Jahre DIW Berlin – und 500 Milliarden Sondervermögen
Kai Wegner hat anlässlich von 100 Jahren Wirtschaftsforschung aus der Hauptstadt ins Rote Rathaus geladen. Dem DIW um Präsident Marcel Fratzscher will er ein besonderes Geschenk machen.
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Die Freude ist dem Regierenden Bürgermeister am Mittwochnachmittag im Roten Rathaus ins Gesicht geschrieben. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) feiert seinen 100. Geburtstag. Kai Wegner (CDU) hat zu diesem Anlass in den Festsaal, den größten Raum seines Regierungssitzes geladen. Über 100 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind gekommen, um die bewegte Geschichte des Berliner Forschungsinstituts zu feiern.
Wegner hält die Eröffnungsrede. Der eigentliche Festakt soll erst im Mai stattfinden. Doch die Freude des CDU-Politikers rührt an diesem Tag vor allem von der historischen Einigung von Union und SPD am Vorabend. Denn sein Parteichef plant den Dreifach-Wumms: 500 Milliarden kreditfinanziertes Sondervermögen für die Infrastruktur, Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, erstmals Kreditspielraum auch die Länder.
Persönlicher Triumph für Wegner
„Jetzt haben wir die Möglichkeit, Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die wir so dringend benötigen“, sagt Wegner und fügt hinzu: „Es wäre eine vertane Chance gewesen, wenn wir jetzt nicht auch an die Infrastruktur gedacht hätten.“

© Felix Kiefer
Berlins Regierender kämpft seit Jahren und gegen die bisherige Linie seiner Bundespartei dafür, was am Dienstag beschlossen wurde. Als erster CDU-Ministerpräsident hat er sich für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Nun wirkt er erleichtert und sichtbar glücklich über das Sondierungsergebnis von Union und SPD.
Durch das Sondervermögen könnten endlich auch mehr Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Forschung fließen. Auch die Schuldenbremse soll im Laufe des Jahres grundlegend reformiert werden – und zwar mithilfe einer Expertenkommission. Hier schlägt Wegner die Brücke zum Geburtstagskind. „Ich möchte, dass Sie als DIW Berlin da mitwirken“, sagt Wegner in seiner Rede an DIW-Präsident Marcel Fratzscher gerichtet. Dem Tagesspiegel sagt der Politiker später, er wolle sich dafür auch in der Parteiführung einsetzen. Als Mitglied des CDU-Präsidiums hat der gelernte Versicherungskaufmann bei dieser Frage auf jeden Fall ein Mitspracherecht.
100 Jahre Wirtschaftsforschung aus Berlin
Marcel Fratzscher dürfte die Einladung gerne annehmen. Auch er hat sich schon lange für eine Reform der Schuldenbremse und mehr Investitionen ausgesprochen. Die finanzpolitischen Beschlüsse von Union und SPD hat er im Großen und Ganzen gelobt.
An diesem Nachmittag heißt es für ihn ausnahmsweise: Feiern statt Fiskalpolitik. Fratzscher ist seit 2013 Präsident des in der Weimarer Republik gegründeten Instituts. Das DIW hat historische Wegmarken der deutschen Geschichte mit begleitet.
Die Weltwirtschaftskrise der späten 1920er, die NS-Zeit (unter anderem erstellte das Institut für die Nazi-Diktatur kriegswirtschaftliche Analysen), den Wiederaufbau, die deutsche Teilung wie die Wiedervereinigung. Bei all diesen Entwicklungen haben Forscherinnen und Forscher des „Instituts für Konjunkturforschung“, wie es noch bis 1941 hieß, Daten erhoben und analysiert, Methoden entwickelt sowie Zusammenhänge erklärt und prognostiziert.
Heute ist es das größte wirtschaftliche Forschungsinstitut des Landes. Seit 18 Jahren hat es seinen Sitz in der Mohrenstraße im Zentrum der Stadt. „Es ist ein sehr schönes Zuhause“, sagt Fratzscher. Kern seiner Arbeit und der von über 300 Mitarbeitenden: Blinde Flecken in der Gesellschaft offenlegen. Ohne Scheuklappen und politisch unabhängig.
Dafür arbeitet das DIW in drei großen Forschungsbereichen: Ungleichheit, Nachhaltigkeit und Makroökonomie. Multidisziplinär, darauf ist man am Institut besonders stolz. „Wir brauchen Diversität, um gute Arbeit zu machen“, sagt Fratzscher.
International bekannt ist das DIW Berlin vor allem für seinen enormen Datenschatz aus dem sozio-ökonomischen Panel. Rund 30.000 Personen werden dafür jedes Jahr befragt, um so zum Beispiel Erkenntnisse zur Verteilung von Einkommen und Vermögen, der Integration von Geflüchteten in oder der Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt abgeleitet. „Wir müssen verstehen, wie es jedem einzelnen geht“, sagt Fratzscher.
Auch beim Thema Nachhaltigkeit war das Institut Vorreiter. „Wir waren in den 90ern eines der ersten Institute, die das Thema Klimaschutz aufgegriffen haben, als es noch nicht populär war“, so Fratzscher. Im Bereich der Konjunkturforschung spiel das Institut ebenfalls eine zentrale Rolle: Als eines von sechs Instituten prognostiziert es für die Bundesregierung die Entwicklung von Wirtschaftswachstum, Inflation und anderen Kennzahlen.
Wegner lobt Relevanz für Berlin
Bei der runden Geburtstagsfeier im Roten Rathaus denken manche schon an die nächsten 100 Jahre. Eine Gästin möchte vom DIW-Präsidenten wissen, welche Erfolge man dann feiern werde. Bescheidene Antwort von Fratzscher: „Ich bin stolz, dass das DIW progressiv ist und Zukunftsfragen adressiert“. Er wünscht sich, dass man auch künftig weitsichtig und relevant ist.
Seine Relevanz wird dem Institut an diesem Mittwoch auch von oberster Ebene bescheinigt. „Dass Berlin in den letzten Jahren wirtschaftlichen Erfolg hatte, liegt auch an ihrer Mitwirkung“, sagt Wegner. Als Bürgermeister, aber auch als Berliner sei er stolz. Der CDU-Politiker wurde 1972 in Spandau geboren. „Wir in Berlin brauchen ihre Zuarbeit und ihre Expertise.“
Das dürfte für das Land wie ihn persönlich gelten. Schließlich muss die angekündigte und von Wegner ersehnte, grundlegende Reform der Schuldenbremse auch noch umgesetzt werden. Kommt sie noch 2025, dürfte Wegner einen Grund mehr zu Freude haben – vor allem, wenn das DIW Berlin im hunderten Jahr seines Bestehens daran mitgewirkt hat.
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