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Große Namen allein genügen nicht mehr: Langenscheidts neue Marken-Bibel würdigt innovative Firmen
Die Buch-Reihe „Deutsche Standards“ von Herausgeber Florian Langenscheidt listet erstmals 50 junge Unternehmen auf, die noch nicht weltbekannt sind. Neun davon kommen aus Berlin. Viele haben etwas gemein.
Stand:
Iglo, Underberg, Pritt oder Golden Toast: Marken sind wie Säulen. Vertraute Namen, mit denen man durchs Leben geht, egal, ob man Fischstäbchen auftaut, einen Magenbitter schluckt, Kleber braucht oder Brot toastet.
Man kennt sie halt, selbst wenn man ohne all das auskommt. Irgendwann fällt im Supermarkt oder Späti der Blick auf eine dieser Ikonen deutscher Verbrauchsgüter.
50
junge Unternehmen stehen neben sehr etablierten Markenherstellern.
Der Verleger und Herausgeber Florian Langenscheidt hat einen Band publiziert, um Marken zu würdigen, die seien wie „eine kollektive Tapete, mit der wir alle groß geworden sind“. Im Vorwort der gerade erschienenen jüngsten Ausgabe stellt er ein paar Fragen, auf die wohl 90 Prozent seiner Leser identisch antworten würden: Woran denkt man bei Gummibärchen? Oder Kaffeefilter? Oder Waschmittel?

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In seiner Marken-Bibel ist er neue Wege gegangen, indem er einen „Schwerpunkt Transformation“ gesetzt hat. Zu den etablierten Marken hat er 50 junge Unternehmen hinzugefügt, von denen neun allein aus Berlin kommen.
Marken transportieren Werte und machen diese erfahrbar.
Florian Langenscheidt
Die Sammlung rekrutiert sich aus Recherchen beim Deutschen Gründerpreis und beim Start-up-Verband. Es ging darum, neue Marken zu finden, die das Potenzial haben, sich wie „Persil“ oder „Ritter Sport“ im kollektiven Konsum-Gedächtnis zu verankern.
Babbel etwa, gegründet 2007 in Berlin, ist heute die weltweit meistverkaufte Sprachlernplattform. Mit neuen Technologien bietet das Unternehmen seinen Nutzern verschiedene Möglichkeiten zum Spracherwerb. Dazu zählen die Babbel App fürs Selbststudium, Babbel Podcasts und Live-Kurse.
Von Dichtern und Denkern zu Leistungsträgern
Gern erinnert Langenscheidt sich an eine Präsentation, bei der Frank-Walter Steinmeier, damals noch Außenminister, den deutschen Botschaftern in aller Welt eine frühe Version des Marken-Buchs vorgestellt hat mit den Worten im 19. Jahrhundert sei Deutschland das Land der Dichter und Denker gewesen, im 20. Jahrhundert das Land der wirtschaftlichen Leistungen.
Und im 21. Jahrhundert? Blickt man auf besonders auf die Berliner Beiträge glimmt Hoffnung auf, dass die Fäden zusammengeführt werden. In einer globalisierten Welt nehmen Sprachenkenntnisse zunehmend eine bedeutsame Rolle ein. Inspiriert wurde der Name „Babbel“ unter anderem vom Turmbau zu Babel, bei dem die Sprachenvielfalt noch als Strafe Gottes firmierte.
Für deren Überwindung durch vermehrte Sprachkompetenz setzt Babbel zunehmend auf künstliche Intelligenz. Das Dialektwort „babbeln“ wie „schwatzen“ spielte bei der Namensfindung ebenfalls eine Rolle.
Kapitalmärkte demokratisieren
Auch Cleverly setzt aufs Netz und auf Selbstoptimierung. Das 2020 gegründete Unternehmen bietet Online-Coaching für Kinder und Jugendliche an. Dabei geht es nicht nur um Nachhilfe, sondern um die bestmögliche Persönlichkeitsentwicklung und fachübergreifende Kompetenzen wie Selbstorganisation, Lerntechniken und Selbstbewusstsein.
Lernen kann man auch bei Trade Republic, gegründet 2015, mit dem Ziel, die Kapitalmärkte zu demokratisieren. Eine neue Generation von Sparern, kann hier vom Computer oder Handy aus, privat Vermögen fürs Alter aufbauen.

© PR Enpal
Enpal, gegründet 2017, hat sich auf Energiemanagementsysteme spezialisiert, mit denen man die Energieerzeugung, Verteilung und Ausgabe in Eigenheimen reguliert. Oder mit den Worten von Vorstandschef Mario Kohle: „Wir vernetzen die Menschheit zu einer erneuerbaren Community“. Das Carsharing-Unternehmen „Miles“ glaubt an geteilte und nachhaltige Mobilität.
Nebenan.de ist ebenfalls eine Berliner Gründung von 2015. Die Plattform fördert echte Nachbarschaftsbeziehungen und lokale Interaktionen. Dahinter steckt der Gedanke, digitale Technologien zur Förderung von Gemeinschaft und Solidarität in unserer Gesellschaft zu nutzen. Herausforderungen wie Spaltung, Einsamkeit und Ressourcenverschwendung will man hier aktiv entgegenwirken.
Auffällig ist der philanthropische Ansatz vieler neuer Marken. Es geht Start-ups offensichtlich nicht mehr in erster Linie, um Verbrauchsgüter wie Bleistifte oder Schokolade. Verführerischer, und also vielleicht auch gewinnbringender, scheint die Aussicht, aus der Welt einen besseren Ort zu machen.
Sehnsucht nach Sinnstiftung
Share, 2017 gegründet, will Konsum nutzen, um Gutes zu tun. Soziale Projekte und wirtschaftliches Handeln verschränkt das Unternehmen, verkauft Schokolade, Mineralwasser oder Seife und verweist stolz auf mehr als 300 Brunnen, die 130.000 Menschen mit sicherem Trinkwasser versorgen oder 700 000 Menschen, die mit Hygieneprodukten ausgestattet werden konnten.
Bcause wurde 2021 gegründet, mit dem Ziel, das Engagement mit Geld einfacher zu machen. Auf der Plattform kann jeder online seine eigene Stiftung gründen, ohne Paragraphen und Mindestsummen.
Die Lektüre des dicken Buchs verblüfft vor allem in einer Hinsicht. Ausgerechnet aus Berlin, der Stadt, die draußen im Lande nicht immer im besten Licht dasteht, kommen also ikonische Weltverbesserungsideen. So schlimm kann es um die Stadt also nicht bestellt sein. „Marken“, so schreibt es der Herausgeber in der Einführung, „transportieren Werte und machen diese erfahrbar, sie ermöglichen Gruppenzusammengehörigkeit und Individualität zugleich“.
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