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Offizielle Prüfstelle zieht Bilanz: 90 Prozent der geprüften Mieten in Berlin zu hoch
Nach Einführung der Mietpreisprüfstelle wurden 168 Prüfscheine für zu hohe Mieten ausgestellt. Ob die Mieter jetzt weniger zahlen, weiß Bausenator Gaebler nicht.
Stand:
Mehr als neunzig Prozent der bisher geprüften Berliner Neuvermietungen lagen über den erlaubten Grenzen der Mietpreisbremse. Das ist die erste Bilanz der Mietpreisprüfstelle, die der Senat im März dieses Jahres eingerichtet hat. Das Projekt ist bislang klein, kostet rund 150.000 Euro pro Jahr und wird von zwei externen Beratungsstellen mit insgesamt 40 Wochenstunden betrieben.
Nach dem Scheitern des Mietendeckels blieb dem Land nur die bundesweite Mietpreisbremse, deren Durchsetzung bislang allein den Mietern überlassen war. Viele wussten gar nicht, ob sie zu viel bezahlen, oder scheuten den Gang vor Gericht. Um diese Lücke zu schließen, richtete der Senat im Frühjahr die Mietpreisprüfstelle ein. Sie ist bei der neuen Anstalt öffentlichen Rechts „Sicheres Wohnen“ angesiedelt und soll als niedrigschwellige Erstberatung für alle Berliner Mieter:innen funktionieren.
Unsere Beratungstermine sind ausgebucht.
Knut Beyer, Geschäftsführer der Asum Mieterberatung
Die Erwartungen waren groß. Bausenator Christian Gaebler (SPD) hatte zur Eröffnung im März erklärt: „Zuhause in Berlin bedeutet, dass die persönliche Miete nachvollziehbar ist und Mietrecht eingehalten wird.“ Das Versprechen: Jeder, der seine Miethöhe anzweifelt, soll hier eine kompetente Einschätzung bekommen – unabhängig davon, ob er Mitglied in einem Mieterverein ist.
Prüfstelle prüft händisch
Zwei externe Beratungsstellen, beide in Prenzlauer Berg, teilen sich die Aufgabe mit je 20 Stunden pro Woche: Die Mieterberatung Prenzlauer Berg an der Schönhauser Allee und die Asum Mieterberatung an der Thaerstraße.
„Unsere Beratungstermine sind ausgebucht“, sagt Knut Beyer, Geschäftsführer der Asum Mieterberatung. Monatlich erreichten die Prüfstelle rund 80 Anfragen, die seither zu 40 bis 50 Terminvereinbarungen pro Monat geführt hätten.
Vor Ort oder telefonisch prüfen Volljuristen dann händisch mit digitalen Hilfen, aber nicht automatisiert, ob eine Miete die Grenzen der Mietpreisbremse einhält. Rechtlich darf die Miete bei einer Neuvermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, wie sie der Berliner Mietspiegel vorgibt.
Stärkung der Mieter:innen
Ein halbes Jahr nach dem Start zeigt sich, wie groß das Problem tatsächlich ist. Von 190 geprüften Mietverträgen waren nur 13 im zulässigen Rahmen. In über 90 Prozent der Fälle fand man Verstöße, oft drastische. 120 Verträge lagen mehr als die Hälfte über dem Mietspiegel, also im Bereich des Verdachts auf Wucher. In 48 weiteren Fällen lag die Miete mindestens 20 Prozent zu hoch.
Durchschnittswerte, um wie viele Euro es bei der zu hohen Miete jeweils ging, erhebt die Prüfstelle nicht. Auch wie viele Mieter:innen nach der Beratung tatsächlich aktiv wurden, bleibt offen.
Denn das Ergebnis einer solchen Prüfung ist zunächst nur ein sogenanntes „Prüfergebnisschreiben“. 168 Dokumente dieser Art wurden im vergangenen halben Jahr ausgestellt, mit denen Mieter:innen dann selbst oder mit juristischer Unterstützung ihre Rechte beim Vermieter geltend machen können. Mehr als dieses offiziell anmutende Schriftstück kann und darf die Prüfstelle als Erstberatung nicht machen.
„Wir geben ihnen ein offizielles Dokument an die Hand, das sie in Verhandlungen mit dem Vermieter einsetzen können“, erklärt Sandra Obermeyer, Direktorin der Anstalt „Sicheres Wohnen“. Der Wert liege für sie vor allem in der Stärkung der Mieter. Dabei wäre eine konsequente Verfolgung und Durchsetzung der rechtswidrigen Mieten durchaus relevant. Mieterberater Knut Beyer erklärt es selbst: „Jede Miete, die überhöht bestehen bleibt, landet irgendwann auch im Mietspiegel.“

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Privater Anbieter zweifelt am Nutzen
Kritik kommt daher nicht nur von Mietervereinen, die eine echte Eingriffsbehörde fordern, sondern auch aus der privaten Legal-Tech-Szene. Daniel Halmer, Gründer des Anbieters Conny, sagt im Gespräch, er habe nichts gegen die Prüfstelle. Skeptisch sieht er allerdings den Aufwand: „Der finanzielle und zeitliche Aufwand staatlicher Volljuristen für eine Erstberatung ist angesichts der Haushaltslage erklärungsbedürftig – zumal es unser Angebot längst gibt.“

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Conny prüft automatisiert, setzt Ansprüche als Inkassodienstleister durch und finanziert sich über Provisionen von meist sechs Monatsmieten – bei Erfolg. Er habe im vergangenen halben Jahr keinen Rückgang bei den Fällen verzeichnet. „Wir müssen allerdings wahnsinnig viel Werbung machen. Das sind Millionen im Jahr“, sagt Halmer.
Die Prüfstelle setzt dagegen auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Am Ende der Bilanz hält Gaebler eine orangefarbene Postkarte mit diesem sperrigen Wort „Mietpreisprüfstelle“ hoch. „Haben wir gerade neu drucken lassen!“, sagt er.
Im Haushaltsentwurf ist die Fortsetzung des Angebots bereits festgeschrieben. Gaebler könne sich auch einen dritten Standort vorstellen, aber das sei noch nicht abschließend entschieden. So denn die Bilanz von 168 Prüfscheinen in gut sechs Monaten – das sind im Schnitt 28 pro Monat für Kosten von jährlich 150.000 Euro – nicht ihrerseits noch einmal auf den Prüfstand gestellt wird.
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