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Partyflöße, Speedboote, Jetski: Berlins Südosten sucht nach Frieden auf dem Wasser
Die Berliner Gewässer sind laut, voll und verdreckt. Der Tourismusverein Treptow-Köpenick hat Beratung eingeschaltet. Das rät sie dem Bezirk.
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Das Wasser stellt man sich eigentlich als entspannten Ort vor. Als Oase im trubeligen Großstadtalltag mit viel Platz und Weite und dem seichten Schappen der Wellen. Der wasserreichste Bezirk der Hauptstadt, Treptow-Köpenick, muss demzufolge ein Traumort sein.
Ist er aber nicht. Wer im Sommer auf der Müggelspree oder Dahme unterwegs ist, kann das Gefühl bekommen, sich auf einen Jahrmarkt verirrt zu haben. Der könnte sich fragen, ob ein Shoppingtrip zum Ku’damm am Samstagnachmittag nicht entspannter gewesen wäre. Auf dem Wasser pesen regelmäßig Menschen in Schnellbooten vorbei, grölen Betrunkene auf Partyflößen und haben Kajakfahrer Angst vorm Kentern.
Der Zustand sorgt schon länger für schlechte Laune. Für Ärger zwischen Anwohnern und Bootsverleihern, zwischen Partytouristen und naturliebenden Paddlern und für viel Müll an den Ufern. Der Tourismusverband Treptow-Köpenick will diese Konflikte nun entschärfen und schaltet dafür eine Tourismus-Beratung ein. Was rät sie dem Bezirk?
Der Leidensdruck ist groß
Die beauftragte Unternehmensberatung Project M hat ihr Hauptquartier in Hamburg und eine Außendienststelle in Berlin, die aus Matthias Wedepohl besteht. Wedepohl, 64, ist selbst Wassersportler und hat ein Boot auf dem Wannensee. In den vergangenen Monaten hat er viel darüber nachgedacht, wie man das Problem mit dem hohen Verkehrsaufkommen auf den Gewässern in Treptow-Köpenick lösen kann, wie sich der Lärm verringern lässt, die Verschmutzung und die deshalb entstandenen Streitereien.
Er startet damit, eine Online-Umfrage aufzusetzen, um sich ein Stimmungsbild zu verschaffen. Mehr als 2400 Menschen nehmen teil. Das überraschte ihn. Die Bereitschaft könnte zeigen, dass der Leidensdruck im Bezirk wirklich sehr groß ist.
Das Ergebnis, sagt Wedepohl, sei zwar nicht repräsentativ, habe aber aufgrund der großen Teilnehmerzahl eine sehr hohe Aussagekraft, „auch wenn man natürlich davon ausgehen muss, dass mehr Unzufriedene als Zufriedene bei so einer Umfrage mitmachen“. Die meisten Teilnehmer sind selber Bootsbesitzer mit einem Hafen in Treptow-Köpenick (31 Prozent), danach folgen Menschen, die in Treptow-Köpenick wohnen und keinen Wasserzugang oder eigenes Boot haben (27 Prozent), und Mitglieder aus Wassersportvereinen (17 Prozent).

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Die Meinung ist eindeutig: Über 80 Prozent stufen die Gewässerfrequentierung als sehr hoch oder hoch ein. Mehr als die Hälfte empfinden den Bootsverkehr als störend. Das, was die Befragten am meisten nervt, ist die fehlende Qualifikation der Nutzer.
Seit 2013 darf man nämlich auch ohne Bootsführerschein Boote mit einer Motorisierung von bis zu 15 PS fahren. 15 PS sind ganz schön schnell. Mit 15 PS kann man bis zu 40 Stundenkilometer zurücklegen – und das ohne die Wasserverkehrsordnung zu kennen.
Musikboxen nicht mitverleihen!
Und genau darin scheinen viele der Befragten ein Problem zu sehen. Wedepohl berichtet, dass etliche forderten, diese Regelung zu ändern. Entweder auf fünf PS, wie vor 2013 – oder überhaupt keine motorisierten Boote mehr an Menschen ohne Bootsführerschein zu geben. Nur: Das wäre eine Angelegenheit des Bundesverkehrsministeriums und hat wenig Aussicht auf schnellen Erfolg. Was also rät Wedepohl dem Bezirk als Sofortmaßnahme?
„Eine Akzeptanzkampagne“, sagt Wedepohl. Die sich an Nutzer richtet. Das Problem sei nämlich nicht, dass sich niemand an Regeln halten wolle, sondern eher, dass viele sie nicht kennen würden. Klar, Ignorante gebe es immer. Aber die seien eindeutig in der Minderheit. Deshalb schlägt Wedepohl vor, mit Plakaten, Imagevideos und einer Social-Media-Kampagne auf das gegenseitige Aufeinander-Achten auf dem Wasser aufmerksam zu machen. Also etwa darauf, nicht zu nah mit einem motorisierten Boot an Kanus vorbeizufahren, die Musikbox in Wohngebieten herunterzudrehen und Müll nicht im Wasser zu entsorgen.
Für die Bootanbieter hat Wedepohl auch eine Idee. Er empfiehlt eine Qualitätsinitiative Wassertourismus, der sie sich anschließen können. Teil der Initiative könnte ein Verhaltenskodex sein, bei dem sich die Verleiher unter anderem dazu verpflichten, über angemessenes Verhalten auf dem Wasser aufzuklären und darauf zu verzichten, Musikboxen zu verleihen. Auch eine Sanktionierung könnte dazugehören. Nach dem Motto: Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt nächstes Mal kein Boot. Die Nachfrage ist ja wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, groß genug, damit das verkraftbar sein sollte.
Welche von Wedepohls Vorschlägen der Tourismusverein umsetzen wird und ob sich durch sie wirklich etwas ändert – das werden die Sommermonate 2023 zeigen.
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