
© PR/Schmidt Spiele
Unmut beim Mensch-ärgere-Dich-nicht-Verlag: „Der Spielwarenhandel ist da ein bisschen dreist!“
Der Verlag Schmidt Spiele aus Berlin-Neukölln gewann mit „Topp die Torte!“ das erste Mal die Auszeichnung „Kinderspiel des Jahres“. Der Preis hat nicht nur Vorteile, erklärt der Chef
Stand:
Sobald die ersten Weihnachtswunschzettel geschrieben werden, zieht bei Schmidt Spiele das Tempo an. Das letzte Quartal bringt „fast 60 Prozent unseres Jahresumsatzes“, sagt Geschäftsführer Axel Kaldenhoven. Und dieses Jahr sieht besonders gut aus. Der Verlag rechnet mit knapp 60 Millionen Euro Umsatz, es wäre das zweitbeste Jahr der Firmengeschichte, übertroffen nur vom Corona-Rekord 2021 mit 64 Millionen Euro.
Einen Anteil daran hat ein Spiel mit bunten Pappplättchen und funkelnden Zuckerwürfeln aus Plastik: „Topp die Torte!“, frisch gekürtes Kinderspiel des Jahres 2025 und erster Hauptpreis dieser Kategorie für den Spieleverlag Schmidt in Neukölln.
Was eine solche Auszeichnung auslöst, lässt sich bei Kaldenhoven ziemlich genau beziffern. Ein normales Kinderspiel verkaufe im ersten Jahr rund 5000 Exemplare. Mit dem blauen Pöppel auf der Schachtel werden daraus schnell 100.000 Stück.
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Schon die Nominierung schiebt den Handel an, ab der Verleihung läuft der Vorverkauf „fast von allein“ – und im Weihnachtsgeschäft entscheidet sich, ob sich der Titel in Richtung Evergreen im Programm, wie „Kniffel“ oder „Mensch ärgere dich nicht“ bewegt. Im zweiten Jahr müsse ein Spiel noch etwa die Hälfte der Erstauflage schaffen, „dann sieht man, ob es trägt“.
Von der Krebsforschung zum Vollzeit-Spieleautor
Erfunden hat das Kinderspiel ab sechs Jahren der österreichische Spieleautor Wolfgang Warsch. Einer der wenigen, der mit mittlerweile zwölf Millionen seiner verkauften Spiele davon leben kann. Vor sieben Jahren entschied er sich, seinen Job als Molekularbiologe in der Krebsforschung an den Nagel zu hängen und freiberuflich in Vollzeit Brettspiele zu erfinden.
„Ich habe abgewogen, dass es kein Risiko mehr ist“, sagt Warsch über den Moment, in dem er seinen Laborjob nach zwölf Jahren hinter sich ließ. Drei seiner Spiele liefen da bereits stabil im Markt, entwickelt nach Feierabend, getestet am Küchentisch mit seinen Kindern und in einer Wiener Spielegruppe. So entstand auch „Topp die Torte!“: erst eine Idee beim täglichen Spaziergang im Wald, dann ein gebastelter Prototyp, den er Schmidt Spiele für erste Tests schickte.

© PR/Schmidt Spiele
Die finale Form bekam das Spiel erst gemeinsam mit der Redaktion: Aus Warschs ursprünglicher Hochhaus-Idee wurde mit Spiele-Redakteurin Meike Wilken eine zugänglichere Torte. Die Kinder stapeln dabei Schicht für Schicht aus Pappplättchen eine Torte, müssen Farben und Füllungen passend kombinieren und schätzen, wie weit sie gehen können, ohne wertvolle Punkte zu verschenken. Nicht Glück entscheidet, sondern Augenmaß: Wer weiterbaut, obwohl es nicht mehr passt, geht leer aus – wer rechtzeitig stoppt, sammelt Zuckerwürfel.
Der Preis selbst kam für ihn überraschend. Viermal war er zuvor in der Kategorie „Kinderspiel“ nominiert, viermal ging er leer aus. Dieses Mal rechnete er eigentlich nicht damit – auch weil das Spiel für ein Kinderspiel „einen Tick komplexer“ sei. Während Warsch mit dem Preis überrascht wurde, zeigt der Markt sich von seiner berechenbaren Seite.
Auszeichnung „Spiel des Jahres“ löst Preisschlacht aus
Denn mit der steigenden Nachfrage beginnt ein zweites Spiel: das um Preise. „Der Spielwarenhandel ist da ein bisschen dreist“, erklärt Kaldenhoven. Nicht moralisch, sondern mechanisch. Ausgerechnet in den Wochen, in denen alle das ausgezeichnete Spiel haben wollen, senken manche Händler die Preise deutlich – als Lockangebot, um Kundschaft in die Läden oder in den Onlineshop zu ziehen.
Wir stehen zu unseren Preisen und möchten nicht die sein, die sie nach unten treiben.
Axel Kaldenhoven, Geschäftsführer Schmidt Spiele GmbH
„Topp die Torte würde normalerweise 24,95 Euro kosten. Augenblicklich wird es für absolut wahnsinnige 15,95 Euro angeboten“, beschreibt Kaldenhoven die vorweihnachtliche Lage. Anders als im Buchmarkt gibt es keine Preisbindung; wer möchte, kann in der Hauptsaison rabattieren. Schmidt Spiele selbst macht das bewusst nicht. „Wir stehen zu unseren Preisen und möchten nicht die sein, die sie nach unten treiben“, betont Kaldenhoven. Der eigene Onlineshop sei kein Umsatzmotor, eher ein Schaufenster für alle, die die Marke mögen.
Erfolgskriterium: Wenn es nach fünfmal spielen immer noch Spaß macht
Viele Hoffnungen hängen nun an der Frage, ob die Torte mehr ist als ein Saisonschlager. „Wenn ein Spiel fünfmal gespielt wird und immer noch Spaß macht, hat es eine Chance, dauerhaft im Programm zu bleiben“, sagt er. Was am Ende zählt, ist nicht die Auszeichnung, sondern der zweite, dritte, zehnte Abend am Küchentisch.

© Kitty Kleist-Heinrich TSP
Gleichzeitig arbeitet das Team in Neukölln längst an der Verlängerung. Der Ableger „Topp das Törtchen“ ist schon in Vorbereitung, kompatibel mit dem Hauptspiel, aber eigenständig genug, um eine kleine Reihe zu begründen. Für einen Verlag, der seine Klassiker über Jahrzehnte pflegt, ist das kein Nebenprodukt, sondern Strategie: Puzzle-Turniere, Mensch-ärgere-dich-nicht-Meisterschaften.
Einerseits also Konstanz, zu der Kaldenhoven selbst mit seiner fast 30-jährigen Dienstzeit als Geschäftsführer seit 1997 beiträgt, andererseits maximale Reaktionsgeschwindigkeit. „Wir wollen nicht der größte Verlag sein“, sagt Kaldenhoven über den 45 Mitarbeiter:innen beschäftigenden Betrieb im Neuköllner Industriegebiet. „Wir wollen der Flexibelste sein.“
KI kein Thema: Brettspielekauf sei eine Bauchentscheidung
Und jenseits des aktuellen Hypes? Da setzt Schmidt Spiele auf etwas, das in keiner Bilanz steht: Vertrauen. In Autorinnen und Autoren, in die eigene Redaktion, in ein Publikum, das analog spielen will, obwohl die Welt immer digitaler wird. Auch wenn das Unternehmen für die eigenen internen Abläufe mit KI-Tools experimentiert, setzt Geschäftsführer Kaldenhoven bei der Entwicklung von Brettspielen weiterhin auf menschliche Intelligenz. Denn: „Welches Spiel Sie kaufen, entscheiden Sie nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch.“
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