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Viagra-Honig für den Mann: Berliner Landeslabor enttarnt falsche Naturpräparate
Wer schnelles Geld verdienen will, bringt „Nahrungsergänzungsmittel“ auf den Markt, die angeblich wundersame Wirkung entfalten. Spätestens im Landeslabor fliegen die Betrügereien auf.
Stand:
Nico Beerbaum hat die bunt bedruckten Fläschchen und Packungen werbewirksam aufgestellt: Vitaminpillen, Magensäfte, Energiepillen, Einschlafhilfen, Schlankheitspräparate und Potenzmittel. Alles auf ganz natürlicher, „rein pflanzlicher Basis“, wie die Hersteller versprechen. Doch wenn Beerbaum, Prüfleiter im Landeslabor Berlin-Brandenburg, die Inhaltsstoffe analysiert, findet er gelegentlich Substanzen, die er aus der Pharmaindustrie kennt.
In einem Honigextrakt, das als pflanzliches Potenzmittel beworben wurde, fanden Beerbaum und seine Mitarbeiter 30 Milligramm Sildenafil, ein verscheibungspflichtiger Wirkstoff, der auch in Viagra-Tabletten enthalten ist. Außerdem war noch etwas Paracetamol beigemischt, wahrscheinlich eine Verunreinigung bei der Produktion, glaubt Beerbaum.

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Für bestimmte Patienten könnte die Einnahme des getarnten Viagra-Honigs zu „lebensgefährlichen Blutdruckkrisen führen“, erklärt Beerbaums Kollege Nils Niederland.
Teure Analysetechnik
Das Landeslabor, zuständig für Tierseuchenanalytik und Kontrolle von Lebensmitteln und Kosmetik, stellte am Dienstag seine Jahresbilanz 2024 vor. Der wachsende Markt an Nahrungsergänzungsmitteln stellt das Labor vor besondere Herausforderungen, weil die Chemiker selten wissen, wonach genau sie suchen sollen.
Der Verbraucher kauft im Zweifel eine Blackbox.
Nils Niederland, Landeslabor Berlin-Brandenburg
Da hilft ihnen seit zwei Jahren ein Massenspektrometer, das theoretisch alle vorhandenen Moleküle in einem Stoff aufspüren kann. Die spezielle Analysetechnik kostet in diesem Fall eine halbe Million Euro.
2024 wurden von knapp 400 Proben von Nahrungsergänzungsmitteln 200 beanstandet. Meistens sind die Angaben auf der Verpackung übertrieben, irreführend, unzulässig oder stimmen nicht mit den Inhaltsstoffen überein. So fanden die Chemiker ein Vitamin-D-Präparat, das eine doppelt so hohe Vitaminkonzentration enthielt wie erlaubt. Solche potenziell gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe seien allerdings eher die Ausnahme.

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Das Labor wird über die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter der Bezirke beziehungsweise der brandenburgischen Städte und Landkreise eingeschaltet, dort können Konsumenten auch verdächtige Lebensmittel oder Kosmetika melden. Problematisch ist aus Sicht des Landeslabors der ausufernde Online-Handel mit Herstellern aus Asien. Verdächtige Waren fallen oft auch bei der Zollkontrolle auf.
Für die Hersteller haben Nahrungsergänzungsmittel den unschlagbaren Vorteil, dass sie nicht den aufwendigen Kontroll- und Zulassungsprozess von Arzneimitteln durchlaufen müssen. Was wirklich enthalten ist, fällt erst auf, wenn in Verdachtsfällen eine Analyse angeordnet wird. „Der Verbraucher kauft im Zweifel eine Blackbox“, sagt Niederland.
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