
© Mercedes-Benz AG/Dirk Weyhenmeyer
Zukunft im Berliner Auto-Werk: Mercedes-Benz erprobt menschliche Roboter
Der humanoide Roboter „Apollo“ soll im Berliner Werk des Autoriesen mit anpacken. Und mit einem Elektromotor bekommt die Produktion bald ein neues Herzstück.
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Als der blaue Vorhang in der Werkshalle von Mercedes-Benz in Berlin-Marienfelde fällt, winkt er in die Kameras, wenn auch etwas kantig, und streckt seine zwei Daumen nach oben. Die Augen schauen freundlich, weil drollig und rund. Es fehlt nur noch ein lachender Mund. Den hat „Apollo“ nicht. Er ist der erste humanoide Roboter im Werk und wird aktuell als zukünftige Arbeitskraft im Mercedes-Benz Digital Factory Campus für die Autoproduktion getestet und angepasst.
Als Vorführaktion reicht Apollo seinem Erfinder Jeff Cardenas, Geschäftsführer beim US-Unternehmen Apptronik, mit ruhiger Hydraulikhand den Stift zur Unterschrift mit Jörg Burzer, Vorstandsmitglied bei der Mercedes-Benz-Group.
Die menschliche Verblüffung rührt vor allem noch aus dem Hintergrund der Vorführung. Ein Mitarbeiter sitzt mit VR-Brille und Handsensoren da und steuert Apollo als sogenannten Teleoperator. „Doch die Fernsteuerung ist nur der Vorläufer zu einem autonomen System“, erklärt Cardenas aus Austin, der in Cowboystiefeln zur Präsentation kam. Denn in Apollo steckt eine Künstliche Intelligenz, die kontinuierlich menschliche Bewegungen sowie die Werkzeugbenutzung lernen kann.
KI-Entwicklung in Berlin für weltweite Standorte
Wo früher im ältesten Mercedes-Benz-Werk klassische Verbrennungsmotoren gefertigt wurden, dreht sich heute alles um Digitalisierung und Elektromobilität. Seit der Eröffnung des Mercedes-Benz Digital Factory Campus im September 2022 wird hier an Softwarelösungen gearbeitet, die die Produktion weltweit effizienter und transparenter machen sollen.

© Mercedes-Benz AG/Dirk Weyhenmeyer
Konkret geht es um die Entwicklung und Erprobung digitaler Anwendungen für die MO360-Plattform – ein System, das in den Mercedes-Werken auf der ganzen Welt zum Einsatz kommt. Außerdem dient der Standort als Schulungszentrum, um Mitarbeiter fit für die digitalisierte Fertigung zu machen.
Wir planen keine menschenleere Fabrik.
Jörg Burzer, Vorstandsmitglied bei Mercedes-Benz
„Wir planen keine menschenleere Fabrik“, sagt Mercedes-Vorstand Burzer. Mit dem Einsatz von humanoiden Robotern, die seit rund vier Monaten im Factory Campus für die Produktion entwickelt sowie im ungarischen Werk in Kecskemét getestet werden, ginge es vor allem um repetitive Aufgaben, kleine Montagearbeiten oder Qualitätsinspektionen, aber natürlich auch um den Ausgleich fehlender Fachkräfte. „Flexibilität“ ist das Stichwort, mit dem Burzer immer wieder die laufende Transformationsphase beschreibt.
Automatische Maschinen schon in den 70ern
Als in den 1970er Jahren die Produktionsstraßen um erste automatische Maschinen ergänzt wurden, die den Arbeiter:innen das Punktschweißen an der Karosserie abgenommen haben, war das eine ähnliche technologische Entwicklung. „Das diskutiert heute keiner mehr“, sagt Burzer. Nur waren die Maschinen von damals statisch. Der Apollo-Roboter von heute sei „flexibel und verschiebbar“, wie es die Zeiten verlangten.
In der Tat waren die Zeiten insbesondere für den ältesten Mercedes-Standort am Berliner Stadtrand in Marienfelde immer wieder angespannt und für die Beschäftigten von Unsicherheit geprägt. Erst Ende 2024 kam es zu Warnstreiks, weil dem Betriebsrat und der IG Metall Berlin eine Zukunftsperspektive für das Werk fehlten. Die Produktion von klassischen Antriebskomponenten für den Verbrennermotor läuft schrittweise aus, während die Fertigung von Elektromotoren noch nicht das gleiche Volumen erreicht hat. Die Verlagerungen in kostengünstigere Produktionsstandorte im Ausland verunsicherte die Belegschaft zusätzlich.
30 neue Patente für den neuen Elektromotor
Fest steht jetzt: Das Berliner Mercedes-Werk bekommt ein neues Herzstück in der Produktion. Der „Axial Flux Motor“, der neue und eigens von Mercedes-Benz und dem 2021 übernommenen britischen Unternehmen Yasa entwickelte Elektromotor, soll in Berlin produziert werden. Ab 2026 soll die Großserienproduktion starten. Wie hoch die Stückzahl oder die Zahl der dafür notwendigen Beschäftigten sein wird, wollte man noch nicht sagen. Außer, dass es von den aktuell 1900 Beschäftigten mehrere Hundert Arbeiter:innen seien, die in die Produktion des neuen Motors eingebunden werden.
Aktuell befinde man sich in der letzten Entwicklungsstufe, in der Prototypenphase. Von 100 Produktionsschritten seien 65 neu, 30 Patente wurden für die technologische Hoffnung angemeldet.
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