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Terrorwarnung: Berlins Innensenator warnt vor "seltsamen Menschen"

Innensenator Körting fordert zu besonderer Wachsamkeit auf. Der Verfassungsschutz zählt über 400 gewaltorientierte Islamisten in Berlin. Um den Reichstag wurden Sicherheitszäune errichtet.

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„Kein Anlass für Hysterie“ seien die aktuellen Terrorwarnungen, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Mittwochabend. Trotzdem mahnte er zur Wachsamkeit. „Früher hatten wir eher unkonkrete Hinweise, jetzt sind es konkretere.“ Er werde mit den Sicherheitsbehörden genau auswerten, welche Berlin-Bezüge es bei den Terrorhinweisen gebe. Klar ist: Körting schätzt die Bedrohungslage weitaus gravierender ein als noch beim Terroralarm vor der Bundestagswahl 2009. Wenn in der Nachbarschaft plötzlich „drei seltsame Menschen einziehen, die nur arabisch sprechen“, sollte man aufmerksam werden und im Zweifelsfall die Behörden informieren, sagte Körting. Doch diese Beschreibung trifft vermutlich auf tausende Menschen in der Hauptstadt zu.

Das „Personenpotenzial Gewaltorientierter Islamisten“ schätzt der Verfassungsschutz in Berlin derzeit auf rund 410 Personen, bundesweit sind es 2900. Zudem gibt es in der Hauptstadt knapp 3000 Personen in den „legalistischen“ islamistischen Gruppierungen. Dabei handelt es sich vor allem um Mitglieder der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görus“. Ende letzten Jahres hätten bundesweit etwa 185 Islamisten mit Deutschland-Bezug entweder bereits eine paramilitärische Ausbildung absolviert oder planten eine solche, heißt es vom Verfassungsschutz. Seit Jahren warnen die Sicherheitsbehörden vor dem Bedrohungspotential durch Islamisten. Schon mehrfach gab es eindeutige Hinweise auf terroristische Aktivitäten in Berlin (siehe Chronik unten).

Besondere Sorge machen dem Berliner Verfassungsschutz neuerdings die Reisebewegungen einer jungen Generation fanatischer Extremisten, von denen sich viele nach Pakistan abgesetzt haben. Nach Informationen des Tagesspiegels sind seit Anfang 2009 mehr als 20 Islamisten, darunter auch Frauen, aus Berlin in Richtung afghanisch-pakistanisches Grenzgebiet gereist. Ende April erschossen pakistanische Soldaten den 21-jährigen Danny R., der aus Reinickendorf stammte. Der Konvertit und Hobbyfußballer hatte sich in der pakistanischen Grenzregion Wasiristan, einer Hochburg der Terrorszene, dem Trupp „Deutsche Taliban Mudschahedin“ angeschlossen.

Die deutschen Sicherheitsbehörden und ihre internationalen Partner suchen zudem den 23-jährigen Islamisten Hayrettin Burhan S., der sich auch in Wasiristan aufhalten soll und offenbar als besonders gefährlich gilt. Offen bleibt, ob er zu den bis zu sechs Terroristen zählt, von denen die Sicherheitsbehörden Anschläge in Berlin und anderen Städten Deutschlands befürchten. Ein weiterer mutmaßlicher Islamist aus Berlin, der 21 Jahre alte Alican T., muss sich derzeit vor dem Kammergericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft T. und der mitangeklagten Filiz G. vor, sie hätten im Internet mit Videos für islamistische Terrororganisationen geworben und auch Geld geschickt. Die aus Ulm stammende Filiz G. ist die Ehefrau von Fritz G., dem verurteilten Anführer der Sauerlandgruppe, die in Deutschland Anschläge mit Autobomben verüben wollte. In dem Prozess am Kammergericht fehlt allerdings bislang ein weiterer Berliner, den die Bundesanwaltschaft auch angeklagt hat: Fatih K. aus Kreuzberg, 32 Jahre alt, setzte sich in die Türkei ab, als der Haftbefehl gegen ihn ausgesetzt wurde.

Dass es fast unmöglich ist, „weiche Ziele“ wie Volksfeste und Sportveranstaltungen zu hundert Prozent vor Anschlägen zu schützen, zeigte ein Zwischenfall bei der WM-Fanmeile 2006. Ein 33-jähriger, psychisch kranker Mann durchbrach mit seinem Kleinwagen eine Absperrung, raste in die Menschenmenge und kam erst vor Haupttribüne am Brandenburger Tor zum Stehen. 26 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Gegen den Fahrer wurde wegen versuchten Mordes ermittelt, später wurde er in die Psychiatrie eingewiesen.

Seit der Terrorwarnung vom Mittwoch ist die Nervosität in der Stadt hoch. Am Donnerstagmorgen entdeckten Passanten in Schöneberg einen verdächtigen Koffer vor einer Bankfiliale in der Tauentzienstraße am Wittenbergplatz. Spezialisten des Landeskriminalamtes rückten an und sprengten das Gepäckstück sicherheitshalber. Wie sich herausstellte, war es jedoch leer. Die Tauentzienstraße war für knapp eine Stunde gesperrt.

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