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Blick in den Verhandlungssaal beim ersten Prozess gegen den 38-jährigen Marvin, der eine junge Frau betäubt und vergewaltigt haben soll. Bei dieser Sitzung war der Angeklagte nicht anwesend.

© picture alliance/dpa/Jens Kalaene

Berliner Abiturientin lag fast tot in seiner Wohnung: Verurteilter Marvin S. wegen weiterer Vergewaltigungsvorwürfe vor Gericht

Knapp drei Monate nach einer Verurteilung zu fünfeinhalb Jahren Haft beginnt ein zweiter Prozess gegen den 38-Jährigen. Ihm droht Sicherungsverwahrung. Auch gegen die Polizei wird ermittelt.

Stand:

Als freier Mann kam er zum ersten Prozess. Dann ging es Schlag auf Schlag: Im Gerichtssaal wurde Marvin S. ein Haftbefehl verkündet. Bevor es im ersten Prozess zum Urteil kam, erhob die Staatsanwaltschaft zwei weitere Anklagen. Sie bringen den 38-Jährigen knapp drei Monate nach seiner Verurteilung zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen Vergewaltigung einer bewusstlosen Abiturientin ab dem 2. Oktober erneut vor das Berliner Landgericht.

Es geht um zwei Frauen, deren hilflose Lage er ausgenutzt haben soll. Eine Frau soll er im Februar 2020 in deren Wohnung vergewaltigt haben, eine weitere Frau im März und im Juni 2021 in drei Fällen. Wie die Abiturientin, die am 22. April 2022 fast tot in der Wohnung von Marvin S. in Steglitz lag, seien auch die weiteren Opfer bei den Taten bewusstlos gewesen. Weitere Details nennt die Justiz bisher nicht, sie werden zu Prozessbeginn mit Verlesung der Anklageschrift bekannt werden.

Die neuen Vorwürfe und der Verdacht, es könnte sich um einen Serientäter handeln, wurden erst im letzten Frühjahr im ersten Prozess bekannt. Das Gericht hatte die Auswertung eines Handys von S. durch die Polizei angeordnet. Es wurden verdächtige Videos entdeckt. Die Frauen mussten erst identifiziert und informiert werden. Bei einem Schuldspruch droht dem Ex-Geschäftsmann nun auch die Anordnung von Sicherungsverwahrung nach verbüßter Haft – zum Schutz der Öffentlichkeit.

Gegen Polizisten laufen interne Ermittlungen

Der Fall Marvin S. sorgte für Empörung und zog Kreise – inzwischen laufen interne Ermittlungen gegen Polizisten. Es wird zu klären sein, warum Beamtinnen und Beamte keine Spuren sicherten und nichts gegen S. unternahmen, als die Abiturientin gefunden wurde. Ihr Herz stand still, ihr nackter Körper war mit frauenverachtenden Wörtern beschmiert. Zwölf Minuten lang wurde sie reanimiert. 

Die Notärztin alarmierte die Polizei. Doch die Beamten, die zur verwahrlosten Wohnung von S. kamen, sahen keinen Verdacht auf eine Straftat. S. sprach damals von einer Art Drogen-Unfall. Es wurde akzeptiert. Die Familie der damals 20-jährigen Schülerin aber erstattete Anzeige und bestand auf einer Strafverfolgung. Mehr als einen Monat nach der Tat liefen endlich Ermittlungen an. Bis zum Prozessbeginn im März 2025 vergingen fast drei Jahre. 

Sie war im Umgang mit Drogen nicht erfahren. Er aber wusste, dass diese Kombination von Alkohol und Betäubungsmitteln zur Bewusstlosigkeit führen kann.

Das Gericht

Marvin S. und die Abiturientin waren sich an einer Bushaltestelle zufällig begegnet. Sie war stark alkoholisiert – aus Liebeskummer hatte sie zuvor Wein und Wodka getrunken. Das habe der ihr unbekannte Mann erkannt und ausgenutzt, hieß es im Juli im Urteil. Freiwillig sei sie mitgegangen. Die Risiken ihres Handelns habe sie schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr voll überblicken können. 

Schülerin überlebte die Nacht bei Marvin S. nur knapp

Er bot ihr Kokain, Heroin und weitere Drogen an, habe sie zum Konsum animiert, so das Gericht. „Sie war im Umgang mit Drogen nicht erfahren. Er aber wusste, dass diese Kombination von Alkohol und Betäubungsmitteln zur Bewusstlosigkeit führen kann.“ Das habe er ausgenutzt. Er habe sexuelle Handlungen an ihr vornehmen wollen – „mit oder ohne ihre Zustimmung“.  

Es war unklar, ob die Schülerin überleben würde. Fünf Tage lag sie in einem künstlichen Koma. Es folgte ein schwieriger Weg zurück ins Leben. Nichts ist mehr wie zuvor. Bis heute leidet sich unter anderem unter Albträumen und Angstzuständen. 

Was in den elf Stunden in der Wohnung von S. geschah, ließ sich nur teilweise klären. Das Gericht stützte sich vor allem auf drei Videos, die S. in der Nacht fertigte. „Das Tatbild ist verstörend“, sagte der Vorsitzende Richter. Irgendwann habe er die Frau mit rotem Filzstift beschmiert – um sie zu erniedrigen. Woher weitere körperliche Verletzungen der Abiturientin stammten, sei im Prozess allerdings nicht mehr feststellbar gewesen. 

S. wurde im ersten Urteil der Vergewaltigung, fahrlässigen Körperverletzung und wegen verbotener Filmaufnahmen schuldig gesprochen. Strafmildernd wurde berücksichtigt, dass er wegen eigenen Drogenkonsums vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Die Anwältin der Abiturientin legte Revision ein. Sie strebt eine Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung an. 

Videos sind auch im zweiten Prozess zentrale Beweismittel. Für den Prozess sind bislang elf Tage bis zum 26. November terminiert.

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