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Protestierende vor der Gorillas-Zentrale in Prenzlauer Berg.

© Christoph M. Kluge

„Bezahlt eure Beschäftigten!“: Berliner Gorillas-Kuriere diskutieren auf der Straße mit den Chefs

Es geht um fehlerhafte Abrechnungen und zusätzliche Belastungen: Im Arbeitskampf beim Express-Lieferdienst Gorillas kam es am Montag zur direkten Konfrontation.

Die Proteste beim Berliner Express-Lieferdienst Gorillas gehen weiter. Am Montag demonstrierten etwa 50 Menschen vor der Zentrale des Unternehmens in Prenzlauer Berg. Die meisten von ihnen waren Radkuriere, so genannte Rider.

Sie beklagten fehlerhafte Gehaltsabrechnungen und unfaire Arbeitsbedingungen. Der Gorillas-Geschäftsführer Kağan Sümer stellte sich den Protestierenden und diskutierte mit ihnen. Die hielten an ihren Forderungen fest.

“Bezahlt eure Beschäftigten!”, riefen Protestierende vor der Tür des Bürogebäudes in der Schönhauser Allee. Kağan Sümer kam daraufhin heraus, flankiert von Vize-Deutschlandchef Harm-Julian Schumacher.

Sümer gab zu, dass es fehlerhafte Gehaltsabrechnungen gegeben habe. Es handle sich aber lediglich um ein technisches Problem. Er versprach Verbesserungen. “Das sagt ihr seit Monaten”, rief eine Frau. Sie glaube der Geschäftsführung nicht mehr.

Gorillas-Rider: Überstunden nicht ausgezahlt

“Seit Monaten bekomme ich zu wenig Geld”, sagte ein Rider dem Tagesspiegel. In der vergangenen Woche hatten die Beschäftigten ihre aktuellen Gehaltsabrechnungen erhalten. In den sozialen Medien gab es massenweise empörte Beschwerden. Gehälter für Überstunden oder Krankheitsfortzahlungen seien nicht ausgezahlt worden, schrieben zahlreiche Rider.

Gorillas-Deutschlandchef Harm-Julian Schumacher (l.) hat die Forderungen der protestierenden Rider entgegengenommen.
Der Vize-Deutschlandchef von Gorillas, Harm-Julian Schumacher (l.), nahm die Forderungen der protestierenden Rider entgegen.

© Christoph M. Kluge

Kağan Sümer hatte sich seinen Montag vermutlich anders vorgestellt. Während der Streiks Mitte Juni hatte der Gorillas-Geschäftsführer eine Radtour angekündigt. Die Idee: Er wollte die Beschäftigten in den Lagerhäusern des Unternehmens besuchen, um mit ihnen zu sprechen. Am Montag sollte es losgehen. Doch dazu kam es nicht.

Rundmail: Geschäftszeit ab 5. Juli um zwei Stunden verlängert

Mit der Tour wollte Kağan Sümer bei seinen Beschäftigten die Begeisterung für die “gemeinsame Sache” wecken, das Radfahren. So hatte er es in einem Video-Call angekündigt. Doch ausgerechnet kurz vor dem Termin verschickte seine Firma eine Rundmail an die Belegschaft. Die Geschäftszeit werde ab dem 5. Juli um täglich zwei Stunden verlängert. Die Frühschicht beginne dann um sieben Uhr, der Arbeitstag ende erst um 24 Uhr.

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Viele Rider befürchten noch größere Belastungen. Firmenintern gab es viel Kritik, die Tour wurde vorschoben. Das belegen Chats, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Gorillas-Geschäftsführer bezeichnet sich als “Abenteuer-Radfahrer”

Der in der Türkei aufgewachsene Unternehmer lebt nach eigenen Angaben seit etwa zweieinhalb Jahren in Berlin. Seinem Profil beim Karriere-Netzwerk LinkedIn zufolge arbeitete er für einige Monate beim Berliner Start-up-Beteiligungsunternehmen Rocket Internet. Danach war er beim Start-up Lyght Living mit Sitz in Offenbach tätig, das Möbel vermietet.

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Sümer bezeichnet sich selbst als “Abenteuer-Radfahrer”, LinkedIn zufolge fuhr er 2014 mit dem Rad “von Istanbul nach China”. In einem Podcast der Business-Plattform Online Marketing Rockstars erzählte Sümer vor einigen Monaten, er habe den Lieferdienst Gorillas in seiner Berliner Wohnung gestartet. Die ersten Lieferungen habe er selbst ausgefahren, die Waren im Kleiderschrank gelagert, sagte er. Inzwischen wird sein Unternehmen mit einer Milliarde US-Dollar bewertet und beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 6000 Menschen.

Unterstützung bekommen die Rider auch aus der Politik. Die Berliner Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) sagt: "Diese digitale Sklaverei muss ein Ende haben. Ausbeutung von Beschäftigten bei Lieferdiensten und in der Plattformökonomie darf es nicht geben.” Auch gibt es weiter Beschwerden von Anwohner:innen . In Pankow hat das Bezirksamt inzwischen ein Zwangsgeld gegen die Firma verhängt, weil Gehwege unerlaubt genutzt wurden.

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