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Fahrradstraße Prinzregentenstraße mit starkem Autoverkehr.

© Cecilia Heil

Berliner Verkehrsmysterium: "Was ist eine Fahrradstraße?"

Ein Bezirkspolitiker und eine Bürgerin informieren über eine Berliner "Fahrradstraße". Viele Autofahrer scheinen nicht zu wissen, was das ist.

Autos! So viele Autos! Durch die Prinzregentenstraße fahren an diesem Morgen genau wie jeden Morgen und eigentlich auch tagsüber Autos. Dabei ist diese Straße in Wilmersdorf doch eine Fahrradstraße!

Der Grünen-Politiker Alexander Kaas Elias und Susanne Schmidt, eine engagierte Bürgerin aus dem Bayerischen Viertel, stehen um 7:30 an der Ecke Prinzregentenstraße / Durlacher Straße und verteilen Flyer, beantworten Fragen und machen mit einem Plakat, das die Frage "Was ist eine Fahrradstraße?" stellt, auf das Problem aufmerksam.

Das Feedback auf diese Aktion fällt überraschend stark aus. Die Fahrradfahrer gucken interessiert, lächeln, nicken, rufen laut "Danke!" oder "Gute Frage!". Manche bleiben stehen, um nachzufragen, ihre Erfahrungen zu teilen oder zu unterstreichen, wie wichtig das Thema ist. Die Autofahrer, die vom Plakat teilweise überrascht zu sein scheinen, gucken grimmig, schütteln den Kopf, gestikulieren wild herum oder schauen lieber gleich weg. Ihnen kommt die Abkürzung durch die ruhigere Prinzregentenstraße sehr gelegen, um der Rush-Hour auf der parallel gelegenen Bundesallee zu entkommen.

Doch was die Bewohner oder täglichen Befahrer der Straße erzählen, deutet darauf hin, dass in der Prinzregentenstraße noch einiges getan werden muss: Autofahrende Anwohner, die sich ans Tempolimit von 30 Km/h halten, werden von schnelleren Autos überholt und beschimpft, Fahrradfahrer müssen schnellen Autos ausweichen und Google Maps schlug die Prinzregentenstraße als schnellste Route von der Wexstraße zur Bundesallee vor, bis ein Radfahrer das dort anmerkte und es geändert wurde, wie er berichtet.

Anlieger frei?

In Fahrradstraßen sind Autos grundsätzlich verboten es sei denn, ein Schild mit der Aufschrift "KFZ Frei" ist vorhanden. Ein solches Schild gibt es an der Prinzregentenstraße allerdings nicht. Es hängen lediglich an jeder Kreuzung "Anlieger frei"-Schilder. „Doch nicht jeder, der ein Anliegen hat, ist ein Anlieger“ bemerkt Frau Schmidt. Ausschließlich Anwohner, deren Besucher und Menschen, die dort arbeiten, sind wirkliche Anlieger und somit befugt durch die Prinzregentenstraße zu fahren. Nur wer in einen bestimmten Straßenabschnitt muss, darf dort fahren, alle anderen, beispielsweise Bewohner des nächsten Blocks, müssen durch andere Straßen fahren, bis sie zu „ihrem“ Abschnitt kommen.

Das scheinen viele Autofahrer nicht zu wissen oder nicht wahrhaben zu wollen. Bestimmt verleitet das sehr vage "Anlieger frei" die Autofahrer zu dieser Durchfahrt, vermuten einige Passanten. Zudem ist vielen Autofahrern das Konzept der "Fahrradstraße" kein Begriff; sie kennen die Regeln, die dort herrschen, schlicht nicht, bemerken einige Menschen, die vorbeikommen. „Manchmal spreche ich Autofahrer an und sage ihnen, dass sie hier nicht einfach durchfahren dürfen“ erzählt eine Bewohnerin, „Die gucken mich dann meistens sehr verwundert an.“
Durch die Prinzregentenstraße, die über 1,5 Kilometer vom Prager Platz bis zur Wexstraße führt, fahren wöchentlich im Durchschnitt über 8.700 Radfahrer. Seit sie 2010 zur Fahrradstraße wurde, wird über Möglichkeiten nachgedacht, die Straße fahrradfreundlicher zu machen.


Die Grünen, deren Ziel ein Ausbau des Fahrradnetzes in Berlin ist, haben versucht, durch Umbau der Straße den Autoverkehr zu beschränken. Dazu haben sie einige Vorschläge eingereicht. Grünen-Stadträtin Schmiedhofer hatte 2010 angekündigt: „Dazu werden ab Juli alle Einmündungen auf fünf Meter Breite verschmälert, damit Autos langsamer fahren“ An manchen Stellen ist das geschehen, aber nicht überall. Ein vorbeikommender Fahrradfahrer schlägt vor, Poller zu installieren, Kaas Elias berichtet, es habe auch schon das Projekt gegeben, eine Schranke aufzustellen. Doch bisher wurde nichts Konkretes Unternommen.

Demonstration "Was ist eine Fahrradstraße?" in der Prinzregentenstraße in Wilmersdorf.
Demonstration "Was ist eine Fahrradstraße?" in der Prinzregentenstraße in Wilmersdorf.

© privat

Und das Bezirksamt antwortet beispielsweise auf den Vorschlag der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg vom Oktober 2014, die Mittelinsel der Berliner Straße zu schließen, um die Autofahrer an der Durchfahrt zu hindern, folgendes: „Bezüglich der Querung der Berliner Straße hat die für diese Hauptstraße zuständige Verkehrslenkung Berlin eine Schließung des Mittelstreifens für Kraftfahrzeuge abgelehnt, da weder Gründe dafür vorlägen noch dessen Schließung aufgrund zusätzlich entstehender Fahrtwege der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zuträglich wäre.“

Martin Pallgen, Leiter der Pressestelle und Öffentlichkeitsarbeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erklärt das folgendermaßen: „Eine Sperrung des Mittelstreifens im Bereich der Berliner Straße ist deshalb keine Lösung, weil es die Probleme mit dem Verkehr nur verschiebt. (…) Konsequenzen einer Sperrung wären Umweg-Fahrten der Kfz, die zu vermehrten Wendemanövern an der nächsten Kreuzung führen würden. Dies behindert (…) den Verkehrsfluss auf der Berliner Straße (…),  beeinträchtigt die Verkehrssicherheit (…) und führt gegebenenfalls auch zu erheblichen Umwegfahrten durch andere Anwohnerstraßen.“

Die Prinzregentenstraße ist eine von 17 Fahrradstraßen in Berlin und auf Platz 8 auf dem Nutzungs-Ranking, hinter Oberbaumbrücke, Jannowitzbrücke und Yorckstraße. Die automatischen Zählstellen, die über die ganze Stadt verteilt sind, sollen ermitteln, wie hoch der Fahrrad-Betrieb an unterschiedlichen Stellen der Stadt ist. Auf der Website der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt heißt es zu den Zählungen: „Ziel ist die dauerhafte Erfassung des Radverkehrs an bestimmten Straßenquerschnitten. Mit den Dauerzählstellen wird es möglich, neben Erkenntnissen zum Tagesgang, auch Daten zum Wochen- und Jahresgang zu erfassen und die langfristige Entwicklung des Radverkehrs über mehrere Jahre zu bestimmen.“

Von langfristiger Planung ist man in der Prinzregentenstraße noch ein ganzes Stück entfernt

Pallgen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hierzu: „Die Voraussetzung für die Anordnung von Fahrradstraßen ist nach der VwV-StVO insbesondere das Überwiegen des Radverkehrs (bereits im Vorfeld oder möglichst bald nach der Anordnung)", heißt es in umständlicher Behördensprache. "Um dies einschätzen zu können, sind Verkehrszählungen von Rad- und Kfz-Verkehr sehr wichtig und in vielen Fällen unerlässlich. Im Einzelfall kann jedoch auch dann eine Verkehrszählung zweckmäßig sein, um festzustellen, ob die Beschränkung des Kfz-Verkehrs auf den Anliegerverkehr eingehalten wird und wie sich die Verkehrsstärken entwickelt haben. Ggf. können dann auch nachträglich unterstützende Maßnahmen wie Sperrpoller, die nur den Kfz-Verkehr an einer Stelle unterbinden und so Schleichverkehr vorbeugen, oder Einfahrverbote für den Kfz-Verkehr aus bestimmten Richtungen in Erwägung gezogen werden." Übersetzt: Von langfristiger Planung und konkreten "Maßnahmen" ist man in der Prinzregentenstraße noch ein ganzes Stück entfernt.

Um kurz vor acht kommt eine Frau mit zwei Schulkindern mit Ranzen auf dem Rücken auf dem Weg zur nahegelegenen Grundschule vorbei. Sie kommentiert das Plakat: „Das wäre toll, wenn das alle wüssten. Es ist echt nicht schön für die Kinder!“

Es zeigt sich, dass einfach ein Schild an den Mast zu hängen, nicht funktioniert. Man muss die Strasse für Autos sperren, sonst kann es doch keine Fahrradstraße sein.

schreibt NutzerIn M-Mueller

Cecilia Heil

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