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Ein Gegenpol im männerdominierten Rudersport: Ellen Becker ist die Vorsitzende des Frauen-Ruder-Clubs Wannsee.

© Helga Lehner

Berliner Ruderverein für Frauen besteht seit 1947 : „Wir sind enorm wichtig für die vielen Sportlerinnen“

Der Frauen-Ruder-Club Wannsee stemmt sich gegen männliche Dominanz im Sport. Ist das Konzept in Zeiten von Diversität noch aktuell? Ein Interview mit Clubchefin Ellen Becker.

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Der Rudersport ist männlich dominiert, der Frauen-Ruder-Club Wannsee hält dagegen. Seit März 2023 ist Ellen Becker ist die Vorsitzende des FRCW, der 190 Mitglieder, davon 14 Jugendliche, zählt. Die Fast-64-Jährige liebt das Rudern. Wenn sie nicht gerade über den Großen und Kleinen Wannsee gleitet oder sich um die Vereinsgeschicke kümmert, ist sie beruflich als Rehasport- und Personal Trainerin tätig. Zuletzt hatte der Tagesspiegel über den FRCW berichtet, weil er die Kooperation mit dem Berliner Ruder-Club (BRC), einem reinen Männer-Verein, aufgekündigt hat.

Frau Becker, Ihr Verein hat sich 1947 gegründet, das waren harte Zeiten. Warum ist es heute noch richtig und wichtig, einen Ruderverein nur für Frauen zu betreiben?
Ich finde reine Frauen-Organisationen – egal, ob im Sport oder in anderen Bereichen – sinnvoll und nützlich. Frauenförderpläne sind ja schön und gut, aber die ständigen Diskussionen, ob Frauen nur „qua Geschlecht“ ihre Position erreicht haben, nervt. In reinen Frauen-Organisationen können wir uns in allen Positionen erproben, können auch einen vielleicht etwas anderen Blick auf die Dinge werfen, müssen uns nicht immer in männerdominierten Gremien beweisen oder gegen andere Blickwinkel behaupten.

Ellen Becker ist die Vorsitzende des Frauen-Ruder-Clubs Wannsee.

© Helga Lehner

Wie männlich dominiert ist der Rudersport heute?
Im Sport ist es ja auch nicht nur die Gremienarbeit, in der meist Männer überwiegen. Auch bei der eigentlichen Sportausübung gilt es Besonderheiten zu beachten. Männer sind größtenteils größer, schwerer, kräftiger. Das Material ist darauf ausgelegt: Boote werden auf Körpergewicht der Nutzer hin gebaut, Bootseinstellungen auf Körpermaße abgestimmt, Ruderlängen auf Kraft. In Rennbooten sind Schuhe fest installiert. Werden diese Boote von beiden Geschlechtern genutzt, haben die Schuhe mindestens Größe 47 – und die Frauen „versinken“ darin und haben nicht den erforderlichen Kontakt zum Boot. Bei gemischter Nutzung des Materials wird also alles so ausgerichtet, dass alle damit rudern können – und das Maß sind dann eben die Männer. Wir im Frauenruderclub können das Material auf unsere Bedürfnisse abstimmen.

Wann und warum ist der FRCW die Kooperation mit dem Berliner Ruder-Club (BRC) eingegangen?
Zur Kooperation kann ich nur sagen: Sie ist über weite Strecken sehr gut gelaufen, der BRC hat sich großartig reingehängt und unsere Ruderinnen und Trainerinnen toll unterstützt.

Es ging um die Förderung für Nachwuchs-Leistungssportlerinnen.
Ja, dafür sind wir dem BRC zu großem Dank verpflichtet. Im Grunde ist die Kooperation an ihrem Erfolg gescheitert: Wir als Vorstand des FRCW haben gemerkt, dass wir den Arbeitsaufwand mit der Trainingsabteilung nicht stemmen können, ohne den Stammverein und damit das Gros unserer Mitglieder zu vernachlässigen. Wir sind ja die Treuhänderinnen des Clubs – und die Zeiten sind anspruchsvoll. Wir wurden gewählt, um unser Bootshaus und unsere Gemeinschaft zukunftsfest zu machen beziehungsweise zu halten und das fordert unseren vollen Einsatz.

In einem Brief an die Mitglieder von Dezember schreiben Sie, dass der BRC stets seine männlichen Sportler vor „Ihren“ Frauen bevorzugen würde. Was lief da schief?
Da lief überhaupt nichts „schief“. Wir konnten aus unserem Verein lediglich zwei Einer und einen Doppelzweier in die Kooperation einbringen. Das restliche erforderliche Material wurde vom BRC zur Verfügung gestellt! Und dass das Eigentum des BRC natürlich vorrangig BRC-Mitgliedern zur Nutzung zusteht, kann man nicht ernsthaft bemängeln. Wir hätten vielleicht noch das ein oder andere Boot anschaffen können, aber da steht auch der BRC vor einem Platzproblem und kann diese Boote einfach nicht unterbringen.

Sie haben als Verein entschieden, dass Sie sich fortan wieder stärker dem Freizeitsport widmen und den Leistungssport nicht mehr fördern wollen. Hat das auch zu Unmut bei Ihren Mitgliedern geführt, gab es Austritte?
Die Beendigung der Kooperation mit dem BRC hat gar kein Mitglied – außer natürlich die Jugendlichen – zum Austritt bewegt. Wir haben unsere Beweggründe dargestellt und sind auf breiter Front auf Verständnis gestoßen.

Wir haben uns in der Redaktion gefragt, ob ein Verein, der „nur“ für Männer oder für Frauen offen ist, gemeinnützig sein kann. Was sagen Sie dazu?
Sind wir als Frauenruderclub gemeinnützig? Ja klar, wir sind enorm wichtig für die vielen Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen nur oder am liebsten mit anderen Frauen Sport treiben wollen. Wir haben gerade deswegen großen Zulauf, der uns vor Kapazitätsgrenzen stellt. Und wir sind ja auf einem Gelände mit anderen Rudervereinen, die Männern offenstehen. Das heißt, dass unseretwegen auch kein Mann auf den Rudersport verzichten muss.

Was sind für den FRCW die nächsten Meilensteine in diesem und im kommenden Jahr?
In näherer Zukunft beschäftigen wir uns mit den Möglichkeiten, die unser Bootshaus und das Gelände bieten, um eventuell unsere Kapazitäten zu erweitern. Wir haben viele Interessentinnen, die bei uns Rudern lernen und Mitglied werden wollen.

Was fasziniert Sie so am Rudern?
Diese tolle Ganzkörperbewegung in der Natur – Wasser, Sonne, Wind, der herrliche Wannsee. Die Vielfältigkeit von ruhigen Ausfahrten und hartem Wettkampftraining, das ruhige Dahingleiten und das Vorwärtspeitschen des Bootes.

Gehen Sie lieber allein im Skiff auf Tour oder sind Sie eher die Achter-mit-Steuerfrau-Person?
Ich liebe Ausfahrten im Einer. Aber mein Herz schlägt für den Achter – das ist Team, das erfordert Harmonie der Bewegung, gemeinsame Anstrengung, geteilte Freude, wenn’s gut läuft!


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