
© Zentrum für Demokratie Schöneweide
Demokratieprojekt in Berlin-Altglienicke: Einfach mal zuhören
Vier Jahre lang lieferte das Projekt „Dialog im Kosmos“ Gesprächsangebote rund um politische Themen, Ende des Jahres ist nun Schluss. Welche Bilanz ziehen die Organisatorinnen?
Stand:
Als „Politikverdrossenheit” bezeichnet man es unter anderem, wenn sich Menschen aus Unzufriedenheit mit den amtierenden Politikerinnen und Politikern und ihren Entscheidungen immer weiter zurückziehen. Manche sind überzeugt, dass sie als Einzelperson Politik nicht mitgestalten können und ihre Bedürfnisse und Wünsche übergangen werden. Populistische Parolen haben leichtes Spiel, wenn sie dieses Narrativ aufgreifen und mit emotionalen Begriffen Wut und Hass schüren. Wie kann man dem entgegensteuern?
Zum Beispiel, indem man miteinander ins Gespräch kommt und zeigt: Politik beginnt im persönlichen Alltag und kann sehr wohl mitgestaltet werden. Das Modellprojekt „Dialog im Kosmos”, welches seit 2021 Veranstaltungen im Kosmosviertel in Altglienicke organisiert, setzt genau dort an.
„Man nennt das aufsuchende politische Bildung”, sagt Janika Schemmvom Zentrum für Demokratie in Schöneweide. Sie hat das Projekt, welches in Kooperation mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung und gefördert durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) durchgeführt wird, im Frühling dieses Jahres von ihrer Kollegin Duygu Bräuer übernommen.
Politik verstehen ohne Fachbegriffe
Im Kosmosviertel gebe es viele Menschen, die strukturell benachteiligt seien oder sich abgehängt fühlten, sagt sie. Ein Begriff wie „Politik” löse dort oft Frustration aus, man müsse also anders an das Thema herangehen. Das erfordere neben einer eigenen starken Haltung zur Demokratie auch einen offenen und sensiblen Blick auf die Bedürfnisse und Interessen der Menschen vor Ort.
„Man muss erstmal sehr, sehr viel zuhören”, sagt Janika Schemm. „Und das Thema Politik auch mal von den Strukturen wie Abgeordnetenhaus und Bundestag lösen, nicht immer die akademischen Fachbegriffe nutzen, mit denen man einen bestimmten Personenkreis erneut ausschließt. Man kann zum Beispiel sagen: Hier im Kiez gibt es ein Müllproblem? Auch das ist politisch!” Es gehe vor allem darum, respektvoll zu diskutieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und einander ernstzunehmen.
Viele Menschen im Kosmosviertel seien in ihrem Kiez sehr engagiert, sagt Duygu Bräuer. Sie würden gemeinsame Ausflüge, Filmabende oder Kochabende organisieren. „Das ist kein Ort, an dem Stillstand herrscht.” Die Aufgabe ihres Projektes sei, dem ganzen einen Rahmen zu geben und zu zeigen, dass es nicht nur Freizeitgestaltung ist, sondern eben auch in politischer Teilhabe münden kann.
„Politische Teilhabe ist ein Prozess“
Bei den Veranstaltungen legen die Organisatorinnen Wert darauf, dass es nicht in eine Beschwerderunde ausartet. „Es sollen nicht nur die Missstände aufgezählt und dann gesagt werden, ‚macht da mal etwas gegen’. Sondern es geht darum, gemeinsam zu überlegen, was man als Anwohnerin oder Anwohner selbst machen kann.”
Die Förderung für das Projekt „Dialog im Kosmos” läuft nach vier Jahren Ende 2024 aus. Welche Bilanz ziehen die beiden? Man könne in diesem Fall keine quantitativen Ergebnisse vorlegen, sagt Janika Schemm. Aber sie ist überzeugt: Mit dem Projekt haben sie die Sichtbarkeit für sowie den Dialog zu verschiedene Themen geschaffen, auf dem soziale Träger nun mit konkreten Angeboten vor Ort aufbauen könnten.
„Politische Teilhabe ist ein Prozess, der erarbeitet und vor allem langfristig unterstützt werden muss”, sagt Janika Schemm. Man müsse jetzt Vertrauen haben, dass die im Kosmosviertel entstandenen Strukturen stark genug sind.
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