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Fußballfans verfolgen das Spiel Deutschland-Portugal anlässlich der Fußball-Europameisterschaftvor einer Bar im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. (Archivfoto)

© Imago / Foto: imago images/Seeliger

Katar-WM ohne Berlin?: Wie die Hauptstadt auf das umstrittene Fußballfest blickt

Fußballstimmung? Fehlanzeige! Fans sind gespalten, der Senat will nichts mit Katar zu tun haben und ein queerer Schiedsrichter wünscht sich weniger „Regenbogenwashing“.

Knapp eine Woche vor der WM diskutiert Berlin nicht über Aufstellungen, die besten Public-Viewing-Orte oder die Chancen der deutschen Mannschaft. Stattdessen geht es 2022 um Menschenrechte, Ausbeutung und die Sicherheit von queeren Besucher:innen in Katar. Und: Es geht um Geld.

In den Berliner Fußballkneipen gehen die Meinungen auseinander. Sollte man die Spiele übertragen? „Vogt’s Bierexpress“ am Mehringdamm hat sich dazu entschlossen. Begründen wollen die Inhaber ihre Entscheidung nicht, denn „egal was man sagt, es wird falsch gefunden“. Fest steht: Auch die Frage nach Einnahmen spielt für Wirte eine Rolle. Nach Corona und bei steigenden Preisen ist die Gastronomie auf zusätzliche Kundschaft angewiesen.

Seit 2006 zeige ich die WM bei mir im Laden. Mit dem Hintergrundwissen bei dieser WM geht das einfach nicht mehr mit gutem Gewissen.

Lennart Kloehn, Besitzer der Berliner Kneipe „Fargo“

Für den Friedrichshainer Kneipenbesitzer Lennart Kloehn geht es dagegen ums Prinzip: In seiner Bar wird es dieses Jahr keine WM-Übertragung geben. „Seit 2006 zeige ich die WM bei mir im Laden. Das waren immer Events, wo Leute zusammengekommen sind, wir haben gejubelt und gefeiert, lagen uns in den Armen. Mit dem Hintergrundwissen bei dieser WM geht das einfach nicht mehr mit gutem Gewissen“, sagt der Besitzer des „Fargo“. Gemeinsam mit 20 anderen Berliner Kneipen hat er sich der Initiative #KeinKatarInMeinerKneipe angeschlossen.

Teil der Initiative ist es, Fußballfans mit Alternativveranstaltungen weg vom Bildschirm zu locken. Zeitgleich zu den WM-Spielen soll es im „Fargo“ deshalb Vorträge über die Menschenrechtslage in Katar geben.

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Kloehns Stammkundschaft unterstützt ihn darin: „Ich hätte nie mit so einer positiven Resonanz gerechnet. Auch eingefleischte Fußballfans sagen, sie finden das super,“ sagt Kloehn. Mit seinem Boykott will der Kneipenbetreiber auch ein Zeichen an die Fifa senden: Sie soll ihre Vergabepraxis ändern.

Das sieht auch Pascal Kaiser so. Er ist Schiedsrichter in der Prignitz, hat sich in diesem Jahr als bisexuell geoutet. „Steht die Fifa, die UEFA, der DFB für Respekt, Toleranz und Akzeptanz? All das sind Dinge, die es in Katar nicht gibt.“ Am 10. Dezember wird er das Finale des alternativen Turniers „Kicken statt Gucken“ pfeifen, das auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) als Schirmherr unterstützt.

Statt DFB-Logo in Regenbogenfarben zum CSD auf Instagram wünscht sich Kaiser eine glaubwürdige Geste, „dass der DFB nicht nach Katar fliegt und damit ein klares Zeichen gegen die Homophobie, gegen die Menschenrechtslage in Katar setzt“.

Als Regierende Bürgermeisterin mache ich keine Verhaltensaufrufe zur WM an die Berlinerinnen und Berlinern.

Franziska Giffey (SPD)

Einen ähnlichen Tenor schlägt auch Berlins Politik ein. „Fußball-Weltmeisterschaften sollten nicht in Staaten stattfinden, in denen Menschenrechte verletzt werden“, sagt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Und weiter: „Als Regierende Bürgermeisterin mache ich keine Verhaltensaufrufe zur WM an die Berlinerinnen und Berlinern.” Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) wünscht der Deutschen Mannschaft einerseits viel Erfolg, betont aber, dass sie „als Politikerin, Senatorin und Frau äußerst kritisch auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar“ blickt.

Kritisch darf man auch zurückblicken auf die wirtschaftlichen Beziehungen Berlins mit dem Emirat. 2018 war die Hauptstadt Gastgeber beim „Katar-Deutschland Forum für Business und Investment“. 900 Wirtschaftsvertreter aus Deutschland sprachen mit 300 Teilnehmern aus Katar im Maritim Hotel am Kulturforum, das zum Immobilien-Imperium des katarischen Scheichs Faisal Bin Qassim Al gehört. Katar hatte Investitionen von zehn Milliarden Euro im Gepäck. Die Eröffnungsrede hielt der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der die Kataris herzlich willkommen hieß.

27,5 Millionen Euro
Waren in diesem Wert wurden 2021 von Berlin nach Katar exportiert.

Seitdem hat sich viel gewandelt in der Katar-Politik des nach wie vor SPD-geführten Roten Rathauses. Auf Anfrage lässt der Senat mitteilen: „Es bestehen keine partnerschaftlichen oder politischen Beziehungen zwischen dem Land Katar und Berlin.” Auch wirtschaftliche Kooperationen zwischen Berliner und katarischen Unternehmen seien nicht bekannt.

Was nicht bedeutet, dass Berlin keine Geschäfte mit Katar macht. 2021 wurden Waren im Wert von 27,5 Millionen Euro von Berlin nach Katar exportiert, sagt die Berliner Handelskammer auf Anfrage. Damit belegt Katar allerdings nur Platz 63 der wichtigsten Berliner Auslandsmärkte.

EM 2024 auch in Berlin

Der Enthusiasmus des Berliner Senats für die WM in Katar scheint begrenzt. Die politische Freude an Fußballgroßveranstaltungen abseits der WM 2022 ist dadurch aber nicht getrübt. Immerhin soll da, wo jetzt noch wenig Fußballstimmung aufkommen will, 2024 die ganze Stadt mitfeiern.

Bei der EM in Deutschland wird Berlin als Austragungsort von sechs Spielen die Chance bekommen, es besser zu machen als Katar. Für gute Stimmung sollen eine Fußballkulisse am Brandenburger Tor, ein Pop-Up-Park und neue Radwege ums Olympiastadion sorgen. Auch hier wird es um Geld gehen: 61,1 Millionen Euro lässt der Berliner Senat sich die EM 2024 kosten.

Mehr zu Berlins Blick auf die WM in Katar hören Sie in der neuen Podcastfolge von „Berliner & Pfannkuchen“ mit Ann-Kathrin Hipp und Lorenz Maroldt vom Tagesspiegel Checkpoint. Jetzt überall, wo es Podcasts gibt.

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