
© Ariane Bemmer
Berliner Kultzeitung hört auf: Neuköllner „Kiez und Kneipe“ nach 15 Jahren eingestellt
15 Jahre lang berichtete ein Team Ehrenamtlicher engagiert über Bezirkspolitik, Kultur und Kuriositäten in Neukölln. Nun erschien die letzte Ausgabe der Bezirkszeitung.
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Für die Fans kam die Nachricht überraschend: Die Novemberausgabe ist die letzte der kultigen Neuköllner Kiezzeitung „Kiez und Kneipe“. Rund 15 Jahre lang berichtete ein kleines Team Ehrenamtlicher aus allen Ecken des Bezirks.
Gründerin Petra Roß schilderte kleine Beobachtungen und Erlebnisse in ihrer Kolumne „Petras Tagebuch“, Reporter:innen besuchten schier endlose Bezirksverordnetenversammlungen und waren auf den meisten, teils noch so kleinen, Veranstaltungen vor Ort.
Verteilt wurde die Zeitung mit einer Auflage von 3000 Exemplaren kostenfrei in ausgewählten Kneipen – der Name ist Programm. Eben dort fanden auch die Redaktionssitzungen statt. Vorbild war bei der Gründung vor 15 Jahren das gleichnamige Kreuzberger Schwesternblatt: Das hatte Peter Kaspar, einst Lokalredakteur einer großen Regionalzeitung, schon 2004 gegründet.
Wir witzelten herum, rechneten in die Zukunft und sahen uns als zukünftige Rentner-Gang durch Neukölln stromern.
So malte sich das Redaktionsteam vor 15 Jahren die Zukunft aus
Warum die Neuköllner Kiezzeitung eingestellt wird, bleibt weitgehend unklar. Die Chefin vom Dienst und langjährige BVV-Reporterin Marianne Rempe sagt auf Anfrage nur, dass die „Gründe nicht öffentlich verhandelt werden sollen“.
Nur einige Andeutungen verstecken sich im Abschiedstext der Redaktion: „Als wir die erste Zeitung von Kiez und Kneipe stolz in den Händen hielten, stellte sich auch die Frage, wie viele Ausgaben wir schaffen würden“, heißt es da. Und weiter: „Uns war klar, auch wir, die wir Lokaljournalismus lieben und für unverzichtbar halten, werden nicht jünger.“
Alter, gesundheitliche Probleme, Geldknappheit?
Das Team habe sich schon als „zukünftige Rentner-Gang durch Neukölln stromern“ sehen, schreibt die Redaktion weiter. Eben dieses Alter hat ein Großteil der Redaktion mittlerweile wohl erreicht, Nachwuchs ist dem Vernehmen nach rar. Dazu kamen wohl gesundheitliche Probleme – und auch die finanzielle Situation der Kiezzeitungen war zuletzt nicht einfach.
Das Kreuzberger Schwesterblatt rutschte während der Coronapandemie in Schieflage. Denn auch eine weitgehend ehrenamtlich organisierte Zeitung benötigt Geld für Druck, Papier und Vertrieb. Mit der finanziell angespannten Lage der Gastronomie musste die Zeitung auch zunehmend auf Anzeigenkunden verzichten. Es ist anzunehmen, dass die Lage bei der Neuköllner Ausgabe ähnlich war.
Dennoch blickt das Neuköllner Redaktionsteam frohgemut zurück und betont: „Wir haben viele Menschen kennen und schätzen gelernt, Neukölln in vielen Facetten erlebt. Wir lieben Neukölln und sagen DANKE!“. Damit hat der Bezirk eine nicht zu unterschätzende Stimme verloren – und viele Kneipen die Anregung zu Gesprächsthemen.
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