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Katja Sirotkin und Christof Stöhr führen den ReUse-Laden in Oberschöneweide 

© Julia Schmitz

„ReUse“-Laden in Berlin-Oberschöneweide: Dieser Mann holt Laptops zurück ins Leben

Mit dem Reparaturbonus will der Senat Verbraucher dazu motivieren, ihre Geräte zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Bei Christof Stöhr in der Wilhelminenhofstraße ist das längst Geschäftskonzept.

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In den Regalen stehen Monitore neben Druckern und Laptops, in großen Kisten liegen Knäuel aus Kabeln und Adaptern, auf dem Schreibtisch stapeln sich Werkzeug, Tastaturen und Unterlagen. Christof Stöhr steht hinter einem breiten Tisch, der für die Erstuntersuchung kaputter Geräte und gleichzeitig als Ladentheke dient, und entschuldigt sich für die Unordnung: „Wenn man technische Geräte repariert, sammelt sich über die Zeit einiges an.”

In seinem Geschäft „ReUse” in der Wilhelminenhofstraße 49 in Oberschöneweide holt Stöhr seit 2017 defekte Computer und Handys zurück ins Leben. Dass es den Laden überhaupt gibt, verdankt er einem Zufall. Kurz bevor er seine Umschulung zum Systemelektroniker beendete, hatte die Deutsche Telekom bundesweit 20.000 Stellen gekürzt – und überschwemmte den Markt mit Fachkräften.

„Eigentlich ist das ein sehr nachgefragter Beruf. Von unserer Gruppe hat damals aber nur eine Person eine Festanstellung gefunden”, erzählt Stöhr. Der Rest sei direkt wieder zum Jobcenter gelaufen.

Ladeneröffnung vor sieben Jahren

Über ein Praktikum war er bereits 2005 mit dem Verein Lokale Agenda Treptow-Köpenick in Kontakt gekommen; der plante zu dem Zeitpunkt ein Projekt mit Arbeitslosen, die gebrauchte Technik wieder aufarbeiten sollten. Einige Jahre später gründete Stöhr mithilfe einiger Vereinsmitglieder den Laden in Oberschöneweide, der seit 2017 geöffnet ist und den er mit Katja Sirotkin zusammen führt.

Das Angebot, Laptop oder Drucker hier fachmännisch wieder aufpäppeln zu lassen, werde gut angenommen, sagt Christof Stöhr. Während der Pandemie habe die Nachfrage nach Reparaturen allerdings stark abgenommen, auch die Dauerbaustelle der BVG auf der Wilhelminenhofstraße und der damit verbundene Schienenersatzverkehr habe zu teils massiven Umsatzeinbrüchen geführt: „Wir kämpfen ums Überleben.”

Hinzu komme, dass viele Menschen gar nicht versuchen würden, defekte Gerätschaften wieder zum Laufen zu bringen und sie lieber durch Neuware ersetzen. Technikfirmen – und nicht nur diese – legen es oft darauf an, dass ihre Produkte nur begrenzt haltbar sind; Software, zum Beispiel Betriebssysteme bei Smartphones, werden so schnell aktualisiert, dass sie auf älteren Modellen nicht mehr funktionieren.

„Wegwerfen ist umweltschädlich“

„Obsoleszenz” lautet der Fachbegriff dafür. „Dadurch entstehen aber nur Unmengen an Schrott, vieles kann oder wird nicht recycelt. Das sehe ich sehr kritisch, denn es ist umweltschädlich. Und es entspricht auch absolut nicht meiner Philosophie”, sagt Stöhr.

Sein Vater sei handwerklich sehr begabt gewesen und habe viel für Freunde und Bekannte repariert – das habe er wohl übernommen. Bevor er Sachen wegwerfe, müssten sie schon wirklich irreparabel kaputt sein. Beschädigte Grafikkarten oder Lüftungen bei Laptops bringt er binnen weniger Stunden wieder in Ordnung: „Bis zurück zum 486er kann ich eigentlich alles wieder instandsetzen.”

Christof Stöhr und Katja Sirotkin bieten außerdem regelmäßig Abende an, an denen Berlinerinnen und Berliner ihre Technik vor Ort unter ihrer fachkundigen Anleitung selbst reparieren können.

Seit dem 17. September können sie überdies einen Reparaturbonus bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt beantragen, der einen Teil der Kosten für die Ersatzteile deckt und das Reparieren oder reparieren lassen attraktiver machen soll. „Bei uns steht das Telefon im Moment nicht mehr still”, sagt Christof Stöhr, viele Menschen hätten Fragen und wollten sofort loslegen.

Sein Wunsch wäre es aber, dass seine „Hilfe zur Selbsthilfe”, wie er es nennt, noch populärer wäre. „Kinder und Jugendliche sollten in der Schule nicht nur lernen, wie man mit Technik umgeht, sondern auch, dass und wie man sie reparieren kann.” Vorstellbar wären Workshop-Reihen oder Arbeitsgemeinschaften, doch die Initiative müsste von den Schulen und Lehrkräften ausgehen, sagt Stöhr. „Wenn sie auf uns zukommen: Wir sind zu allem bereit!”


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