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2: Blick in den Ausstellungsraum im Wassersportmuseum GrünauCredit: Julia Schmitz

© Julia Schmitz

Ein Kleinod in Treptow-Köpenick: In diesem Museum dürfen die Besucher fast alles anfassen

In den Räumen unter der historischen Regattatribüne in Berlin-Grünau macht das Wassersportmuseum Sportgeschichte von mehr als 100 Jahren haptisch erlebbar.

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Ihr liebstes Objekt in der Ausstellung ist der Segelmacher-Handschuh: ein starker Lederriemen, der den Handballen umschließt und mit einer starken Stahlnadel verhindert, dass die dreikantige Segelnadel beim Durchstechen des dicken Tuchs auch die Hand des Nähenden durchsticht.

Veronika Springmann, Leiterin des Wassersportmuseums in Grünau, hat den kleinen und schon deutlich in die Jahre gekommenen Handschuh in eine gläserne Vitrine gelegt. In den Museumsräumen ist ein historischer Abriss des Wassersports im Allgemeinen und des Rudersports im Speziellen, angefangen ungefähr Ende des 19. Jahrhunderts, zu sehen.

Blindenleitsystem und Sound-Installation

Der Handschuh ist eines der wenigen Objekte, die man in den beiden Räumen unter der Regattatribüne nicht berühren darf. „Uns war wichtig, bei der Entwicklung der Ausstellung möglichst niedrigschwellig zu arbeiten. Das bedeutet: Es kann fast alles angefasst werden.“ Mit einem Blindenleitsystem wie an U-Bahnhöfen, Sound-Installationen, Texten in einfacher Sprache und einem tastbaren Modell eines Bootshauses ist hier alles so barrierefrei wie möglich gestaltet.

Ein Segelmacherhandschuh schützt Segeltuchnäher vor Verletzungen

© Julia Schmitz

Veronika Springmann geht es darum, dass die Besucherinnen und Besucher möglichst viel mitnehmen. Das geht am besten durch Interaktion. „Mit Museum verbinden viele Leute etwas, das ganz kostbar ist und zeitlich lang her. Aber heute definieren sich Museen anders. Sie wollen Bildungseinrichtungen sein, sie möchten gegenwärtig sein. Also muss man natürlich konzeptuell anders arbeiten. Ich möchte nicht, dass die Besucherinnen hier vor Ehrfurcht erstarren.“

Sammlung entstand in den 1980er-Jahren

Dass das Wassersportmuseum in Grünau überhaupt existiert, geht auf die Initiative des Lehrers Werner Philipp zurück. Seit den 1980er-Jahren sammelte er alles rund um das Thema, 1990 wurde eine erste Ausstellung im Bürgerhaus Grünau eröffnet. Zehn Jahre später, Philipp hatte sein Archiv mittlerweile der Stadt Berlin geschenkt, übersiedelte das Museum in die Räume unter der Regattatribüne. Von 2016 bis 2024 musste es wegen der Sanierung der historischen Tribüne geschlossen bleiben; im September vergangenen Jahres wurde es wiedereröffnet.

Veronika Springmann leitet das Wassersportmuseum in Berlin-Grünau

© Julia Schmitz

„Die historische Regatta-Strecke gilt als eine der ältesten Sportstätten der Stadt“, sagt Veronika Springmann. „Die ersten Regatten fanden hier schon Ende des 19. Jahrhunderts statt. Und zwar deswegen, weil der damalige Kaiser Wilhelm so von der Marine in Großbritannien begeistert war und das auch für Deutschland haben wollte. Er dachte wohl, dass Wassersport und Marine gut zusammenpassen, weil gute Ruderer auch gute Marinesoldaten ergeben. Also hat er den Rudersport stark unterstützt.“

Nazi-Olympiade nüchtern betrachtet

Wer über die Regattatribüne in Grünau redet, darf die Nazi-Zeit nicht ausklammern: In ihrer heutigen Form entstand das Bauwerk für die Olympischen Spiele 1936. „Ich könnte dem in der Ausstellung viel Raum geben und die ganzen sportlichen Erfolge feiern. Dann verliere ich aber den kritischen Abstand zum Nationalsozialismus“, sagt Veronika Springmann.

Sie zeigt stattdessen typische Souvenirs, wie sie damals jeder kaufen konnte, und räumt Arbeitervereinen sowie jüdischen Rudervereinen, die von den Nazis zur Auflösung gezwungen wurden, einen extra Platz ein. Zahlreiche Fotos, Pokale und Vereinslogos säumen die beiden Räume in diesem Kleinod der Berliner Museumslandschaft am Rande Berlins und zeigen, dass die Faszination für die Fortbewegung auf dem Wasser bis heute ungebrochen ist.

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