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Die Redaktion des „Groove“-Magazins: Julian Fischer, Alexis Waltz, Kim Stuckmann und Maximilian Fritz.

© Groove Magazin/Lucie Albrecht

Verlag stellt Techno-Magazin ein: Die „Groove“ kämpft ums Überleben

Seit 35 Jahren gibt es das Berliner Magazin für elektronische Musik. Nun wurde den Mitarbeitern vom Verlag gekündigt. Doch die Redakteure haben einen Plan, wie es weitergehen kann.

Stand:

Maximilian Fritz ist Musikjournalist, doch bevor der 30-Jährige wieder über Techno, Clubs und Festivals schreiben kann, muss er sein Magazin retten. Die Redaktion der „Groove“, die in der alten Münze in Berlin-Mitte sitzt, hat nach 35 Jahren die Arbeit eingestellt. Aber nur vorläufig. Fritz und sein Kollege Alexis Waltz haben einen Plan.

Die „Groove“ ist Deutschlands renommiertestes Magazin für elektronische Musik und Clubkultur und wird in der Szene sehr geschätzt. Um die Jahrtausendwende hatte es eine Auflage von 100.000 Stück, doch die Zeiten sind lange vorbei.

Der Musikjournalismus steckt in der Krise. Die Werbeeinnahmen wurden weniger, in der Corona-Pandemie brachen die Anzeigen aus der Veranstaltungsbranche komplett weg. Während andere Musikmagazine wie die „Spex“ schon früher aufgaben, konnte sich die „Groove“ noch als digitales Magazin mit Abo-Modell über Wasser halten.

Verein für Technojournalismus

Im März hatte der Piranha-Media-Verlag, der das Magazin seit 2004 herausgibt, ein Meeting mit dem Betreff „The Future of Groove“ einberufen. „Da dachte ich mir schon, dass das nichts Gutes bedeuten kann“, sagt Fritz. Die Abo-Zahlen waren zuletzt gesunken, was den Verlag dazu veranlasste, die „Groove“ einzustellen.

Wir verstehen uns auch als Korrektiv in einer immer kommerzielleren Clubkultur. Diese kritisch zu hinterfragen, ist uns wichtig.

„Groove“-Redakteur Maximilian Fritz

„Die Kündigung war für uns auch eine Befreiung nach so vielen Jahren im Verlag“, sagt Fritz. Er und sein Kollege Alexis Waltz wollen das Magazin eigenständig weiterführen, gemeinsam mit vielen freien Autor:innen – und ihren Leserinnen und Lesern. Dazu haben sie einen Verein für Technojournalismus gegründet. Um die „Groove“ zu retten, brauchen sie 500 neue Mitglieder, zusätzlich zu den circa 1300 bisherigen Abonnent:innen.

Mit dem neuen Modell soll sich auch inhaltlich einiges ändern. „Wir wollen die Leute, die uns dann finanzieren, stärker einbeziehen und sie fragen, was sie interessiert.“ Noch mehr relevante und kritische Inhalte, zum Beispiel über sexistische und rassistische Vorfälle in Clubs, nennt Fritz als Beispiel.

„Wir verstehen uns auch als Korrektiv in einer immer kommerzielleren Clubkultur“, sagt Fritz. „Diese kritisch zu hinterfragen, ist uns wichtig.“ Und auch Reportagen aus kleineren deutschen Städten und deren Musikszene sollen vorkommen. Alle Artikel werden künftig frei zu lesen sein, die Bezahlschranke wird abgeschafft.

Der Verein soll die „Groove“ auch unabhängiger machen vom Anzeigengeschäft. Denn das sei im Musikjournalismus oft undankbar, sagt Fritz. Kritische Berichterstattung über Festivals oder Clubs sei schlechter zu vermarkten als das 1000. Künstlerporträt über angesagte Techno-DJs.

Für den Journalismus ist das Vorhaben ein spannendes Projekt. Funktioniert es, könnte es auch anderen kriselnden Magazinen als Vorbild dienen. Bis Ende des Sommers hat sich der neue Verein Zeit gegeben, um sein Ziel zu erreichen. Dann fällt die Entscheidung, ob sie weitermachen oder die „Groove“ für immer einstellen.

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