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Warum hat Steglitz-Zehlendorf kein Kinder- und Jugendparlament?: Junge Leute unter 18 Jahren wollen mitbestimmen
Was die Nachbarbezirke schon längst praktizieren, fehlt im Berliner Südwesten. Dabei wird die politische Teilhabe von den unter 18-Jährigen gewünscht – allerdings muss sie verbindlich sein.
- J von Lersner
- Elisabeth Edelmann
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Besuch einer Jugendredakteurin aus Steglitz-Zehlendorf im Nachbarbezirk: Durch die bunt angemalte Metalltür im „Haus der Jugend Anne Frank“ drang am Mittwoch lautes Lachen. Hinter dieser Tür tagte das Kinder- und Jugendparlament (KJP) Charlottenburg-Wilmersdorfs, es war die vierte Plenarsitzung des Jahres. Die jungen Parlamentarier:innen tauschten sich über ihre verschiedenen Projekte und Arbeitsgemeinschaften aus. Das Engagement, die Freude und der Spaß der Jugendlichen aus Charlottenburg-Wilmersdorf war förmlich zu riechen und körperlich zu spüren!
Einige Jugendliche antworteten später auf meine Frage „Was macht ihr hier“ wie aus einem Munde: „Uns einsetzen!“ Und genau das hat man gemerkt. Die Kinder und Jugendlichen stellten mir verschiedene AGs, in denen sie sich für Umwelt, Spielplätze, Europa und vieles mehr einsetzen, vor. Am Ende der sechsstündigen Sitzung spürte man, was für ein enges Team die Parlamentarier:innen sind – und wie sehr ihnen die Arbeit zusammen Spaß macht.
Wer im Parlament sitzt, entscheiden die Kinder und Jugendlichen selbst; normalerweise werden für jede Schule und jede Freizeiteinrichtung Vertreter gewählt. In Charlottenburg-Wilmersdorf können aber auch alle anderen Jugendlichen Wünsche an das Kinder- und Jugendparlament übermitteln, beziehungsweise temporär in einer der AGs, also den Ausschüssen, mitwirken. Das KJP darf – wie jede Fraktion der politischen Parteien – Anträge in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einbringen, dort werden aber nur „große“ Themen verhandelt.

© Kinder- und Jugendparlament Neukölln
„Für ‚alltägliche‘ Lösungen, die vom KJP gefordert werden, hat das Bezirksamt einen ‚kleinen Dienstweg‘ eingerichtet“, heißt es auf der Website des KJP Charlottenburg-Wilmersdorf. Solche Anfragen werden gleich mit der zuständigen Abteilung abgeklärt. Der Besuch im Nachbarbezirk zeigt: Das Kinder- und Jugendparlament scheint eine gute Möglichkeit für Kinder und Jugendliche zu sein, ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse innerhalb ihres Bezirkes sichtbar zu machen.
„Jugend spricht mit“ war ein Versuch
Warum gibt es kein Kinder- und Jugendparlament in Steglitz-Zehlendorf? Hier habe der Bezirksschülerausschuss als Beteiligungsmöglichkeit ein „niedrigschwelligeres Format gewünscht“, wie Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD) der Jugendredaktion sagt. Statt eines eher repräsentativen Parlament-Modells sollten sich möglichst viele Kinder und Jugendliche direkt in die Bezirkspolitik einbringen können. Dieser Ansatz hätte im Forum „Jugend spricht mit“ gemündet, in dessen Rahmen Jugendliche mit Lokalpolitikern diskutieren konnten.
Kritisiert wird allerdings die Unverbindlichkeit, denn auf die Wünsche und Forderungen ist von Seiten der BVV nicht eingegangen worden.
Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD)
Im Gegensatz zu Anträgen des KJP war eine Bearbeitung der bei „Jugend spricht mit“ formulierten Forderungen aber für die BVV nicht obligatorisch: „Kritisiert wird allerdings die Unverbindlichkeit, denn auf die Wünsche und Forderungen ist von Seiten der BVV nicht eingegangen worden“, so die Jugendstadträtin. Zum Vergleich: Die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf bestätigte bis jetzt circa 90 Prozent der Anträge aus dem KJP.
Neue Debatte im Sommer
In diesem Sommer würden deshalb wieder Kinder und Jugendliche darüber debattieren, wie sie in der Bezirkspolitik mehr mitreden können, sagt Carolina Böhm. Dafür würden unter anderem Workshops veranstaltet, Umfragen erstellt und auch Einzelinterviews geführt. Erfahren sollen die Kinder und Jugendlichen von diesen Beteiligungsmöglichkeiten über die Schulen und die Jugendarbeit. Am Ende dieses Prozesses könnte die Forderung stehen, ein Kinder- und Jugendparlament einzurichten.
Doch egal, wie dieser Prozess ausgeht – auch außerhalb eines Parlaments könnten sich Kinder und Jugendliche bereits heute praktisch einbringen, indem sie zum Beispiel an der Planung von Spielplätzen mitwirkten, wie Carolina Böhm erklärt. Dies werde vom Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf organisiert, „einer Einrichtung, die wiederum andere Bezirke nicht haben“. Auch könnten sich junge Leute in sozialen oder zivilen Organisationen, in Kirchengemeinden oder Parteien gesellschaftlich engagieren.
Nach unseren Erfahrungen sollten die Möglichkeiten der politischen Teilhabe und auch besonders die angekündigte Diskussion im Sommer noch breiter beworben werden. Denn vermutlich sind viele Kinder und Jugendliche eher wenig über „Jugend spricht mit“ und Ähnliches informiert: Bei einer Blitzumfrage im Bekanntenkreis kam maximal ein „Hab ich mal gehört“ heraus – und das auch nur bei wenigen Befragten.
J. von Lersner (14) und Elisabeth Edelmann (16) sind Mitglieder der Jugendredaktion SZ. Der aktuelle Steglitz-Zehlendorf-Newsletter wurde von acht Jugendlichen verfasst. Eine Newsletter-Premiere und eine spannende Lektüre: Zum Abo geht es hier.
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