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Bierflaschenheben stärkt die Oberkörpermuskulatur – und zur Belohnung gibt es einen Schluck. Norbert Buddendick, Torben Bertram und Anita Laurisch suchen noch Mitstreiter.

© Sven Darmer

Feierabend in Berlin: Bierflaschenhalten ist auch Sport

Mehr Leistung, mehr Fitness, mehr Optimierung – dagegen will der Sofasportverein ein Zeichen setzen. Sein Motto: Bloß nicht ins Schwitzen kommen!

32 Grad misst das Thermometer an diesem Tag. Die Cafés und Bars in der Oderberger Straße sind bis auf den letzten Platz besetzt. Freunde treffen sich, irgendwoher schallt Musik. Inmitten der Feierabendstimmung versammelt sich eine kleine Gruppe im Café Ostfee. Torben Bertram, Anita Laurisch und Norbert Buddendick sitzen auf einem grasgrünen Sofa, das seine besten Zeiten hinter sich hat. Doch entspannt wird jetzt nicht. Sie machen Sport – Sofasport.

Los geht es an diesem Abend mit der Übung „Vorhalte“. Die drei Sportler halten mit ausgestreckten Armen Bierflaschen hoch. Für die Übung „Bambus“ strecken sie die Arme nach oben und wiegen sie hin und her. „Wie ein Bambus im Wind“, erklärt Torben Bertram, von dem die Idee zum Sofasportverein stammt, dem wohl entspanntesten Sportverein Berlins.

Für die dritte Übung balancieren die Athleten Bierflaschen auf den Knien. Nach einer Bauchmuskelübung, die im Liegen auf dem Sofa ausgeführt wird, legen die drei eine wohlverdiente Pause ein. Bloß nicht ins Schwitzen kommen!

„Den Körper spüren, ohne die Leistungsgrenze anzustreben“, beschreibt Norbert Buddendick aus Wilmersdorf seinen Sport. „Ehrliche körperliche Betätigung und anschließende Erschlaffung des Fleisches bei gleichzeitiger geistiger und sozialer Ertüchtigung“, heißt es in der Broschüre des Sofasportvereins, dem weltweit einzigen Verein dieser Art.

Es war quasi Notwehr

„Den Begriff Sofasport gibt es schon länger, auch in anderen Sprachen, aber in organisierter Form ist das neu“, sagt Torben Bertram. Die Idee zur Vereinsgründung entstand, als Torben Bertrams Arbeitskollegen anfingen, in der Mittagspause ins Fitnessstudio zu gehen, und ihn immer wieder fragten, ob er mitkommen wolle. „So musste ich quasi aus Notwehr sagen: Ich mache schon Sport! Einen Sport, bei dem ich nicht allein auf einem Gerät stehe und strampele und schwitze, sondern mit Menschen zusammen bin.“

Von der Idee bis zur Vereinsgründung im März 2017 vergingen zehn Monate. Um offiziell als Sportverein eingetragen zu werden, mussten Torben Bertram und seine Mitstreiter Übungen festlegen. Mit Unterstützung einer Sportlehrerin, die Mitglied im Verein ist, fiel die Wahl auf Übungen aus dem Tai-Chi und Qigong, die im Sitzen ausgeführt werden.

Monatsbeitrag: 1 Euro

Mittlerweile ist der Sofasportverein Mitglied im Landessportbund und als gemeinnütziger Verein anerkannt. Ungefähr ein Drittel der 33 Mitglieder sind Jugendliche unter 18 Jahren, 60 bis 70 Prozent der Vereinsmitglieder sind männlich. Für einen Beitrag von einem Euro pro Monat kann man sich anmelden und erhält einen Sportausweis, ausgestellt vom Deutschen Olympischen Sportbund.

Das Wachstum des Vereins ist so gut wie sichergestellt: „Kinder, die im selben Haushalt leben, werden automatisch Mitglieder – beitragsfrei“, sagt Torben Bertram, der jetzt aufhören muss zu reden. Die drei Sofasportler sind schließlich beim Training. Die „Chipsübung“ haben Jugendliche aus dem Verein erfunden. Ein mit Chips gefüllter Becher wird zum Mund geführt. Wer den Becher ohne Einsatz der Hände zuerst leert, gewinnt.

Die Trainingsrunden finden bislang ausschließlich in Berlin statt. „Jeden, der Lust hat, ermutige ich: Gründet selbst Vereine“, sagt Bertram. Er hofft auf deutschland- und europaweite Meisterschaften, eine Turnierordnung ist schon in Vorbereitung.

Aktuell sucht der Verein Sponsoren, um die Turniere, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit, Trikots und Reisekosten für Auswärtstermine finanzieren zu können. Auch mit der Humboldt-Universität ist Bertram im Gespräch und hofft, den Sofasport schon bald zum Hochschulsport machen zu können. Die Vorzeichen stehen günstig: „Die haben in der Mensa Unter den Linden ein Sofa.“

Kritik am Leistungsdenken

Auch wenn das Vergnügen im Vordergrund steht – der Sofasport soll mehr sein als ein lustiger Zeitvertreib. Torben Bertram geht es um eine Kritik am Leistungsgedanken und an der Selbstoptimierung: „Der Gründungsmythos ist: Ich gehe nicht ins Fitnessstudio und optimiere mich selbst, um gut zu funktionieren oder gut auszusehen oder beides.“ Regeln gebe es auch im Sofasport. „Aber wir füllen sie mit Spaß.“

Trainiert wird an jedem letzten Donnerstagabend im Monat. Interessierte können unverbindlich an einem Training teilnehmen. Die 31-jährige Anita Laurisch kam zu einem Schnuppertraining, bevor sie Vereinsmitglied wurde. „Wir haben einen lustigen, netten Abend gehabt“, erinnert sie sich.

Ihr geht es um den sozialen Aspekt. Die Sofasportler werben darum viel im Bekanntenkreis. „Man erntet natürlich erst mal ein Lächeln“, sagt Norbert Buddendick. „Was macht ihr denn da? Couchpotatoes!“, erzählt der 51-Jährige. „Aber darüber kommt man auch ins Gespräch. Worum geht’s eigentlich?“

Der Verein sucht Trainingsstätten in ganz Berlin. „Wir freuen uns immer, wenn sich Lokale melden, die Sofas haben“, sagt Buddendick. Neben dem Café Ostfee kann man die Sportler auch in der Radio Bar in Friedrichshain und im Kreuzberger Birgit & Bier treffen. Und wie sieht es mit sportlichen Erfolgen aus? „Ich mache jetzt seit über einem Jahr Sofasport und habe schon drei Kilo zugenommen“, sagt Torben Bertram und scheint recht zufrieden.

Nächstes Training am Donnerstag um 19 Uhr in der Radio Bar, Frankfurter Allee 23. Weitere Infos gibt es auf der Facebook-Seite des Sofasportvereins und unter www.sofasportverein.de.

Stefanie Borowsky

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