
© Tagesspiegel/Kitty Kleist Heinrich
Bilanz im Nahverkehr: Busse und Bahnen fahren wieder zuverlässiger – sagt die BVG
„Stabilität vor Wachstum“ – mit diesem Kurs will die BVG aus der Krise kommen. Der Chef des Unternehmens verkündet am Mittwoch erste Erfolge. Im Ziel ist man aber noch nicht. Das sind die Zahlen.
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Seit Jahren ärgern sich Fahrgäste über ausfallende Züge, ausgedünnte Takte und bröckelnde Bahnhöfe. Doch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen sich auf dem richtigen Weg: BVG-Chef Henrik Falk zog am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses eine positive Zwischenbilanz.
„Busse und Bahnen fahren heute merklich zuverlässiger als vor einem Jahr“, sagte Falk. Die U-Bahn profitiere vor allem von den neuen Zügen, die seit Anfang September auf der U2 fahren. Im vierten Quartal 2025 sei die Zuverlässigkeit auf 97 Prozent gestiegen. Ende Oktober habe es sogar Wochenwerte von bis zu 98 Prozent gegeben, so Falk am Mittwoch im Abgeordnetenhaus. Zuvor hatte er die Bilanz vor Journalisten präsentiert.
In anderen Städten sind solch gute Zahlen normal, in Berlin seit Jahren nicht mehr. Im dritten Quartal 2024 lag die Zuverlässigkeit bei 91,7 Prozent, im Sommer war sie noch schlechter gewesen. Das heißt: Jede zehnte Fahrt fiel einfach aus, unangekündigt und nicht planbar. Das hat zwei Gründe: überalterte, kaputte Züge und fehlendes Personal.
„Der Kurs stimmt“, lobte Falk mit Blick auf die aktuellen Zahlen. Das Ziel liegt allerdings bei 99 Prozent, das ist auch die Vorgabe des Landes. Falk stellte aber auch klar: „Wir sind mit der Neuaufstellung noch nicht durch. Der Prozess verfolgt uns mindestens noch ein Jahr.“
Was das heißt, erleben Fahrgäste immer noch täglich – zum Beispiel zwei ausfallende Züge nacheinander. Selbst auf der wichtigen U9 im morgendlichen Berufsverkehr gibt es dann Wartezeiten von bis zu zwölf Minuten.

© Screenshot Leonie Hasselmann
Zur Wahrheit gehört auch: Immer noch sind bei U-Bahn und Bus die Takte ausgedünnt, im Busbereich seit Sommer 2022. So wollte die BVG den Betrieb stabilisieren. Eine kleine Verbesserung kündigte Falk für Mitte Januar an: Dann soll auf der U2 wieder der reguläre Fahrplan gelten, sollen Züge also im Vier-Minuten-Takt fahren. Ab Dezember können auf der U3 längere Züge eingesetzt werden. Laut BVG soll dieser Kurs – kein Wachstum, keine dichteren Takte – bis Ende 2027 durchgehalten werden. Erst danach werde man sich wieder mit Wachstum beschäftigen. Im Verkehrsausschuss versicherte Falk am Mittwoch, dass bis zu möglichen Olympischen Spielen die BVG wieder gut aufgestellt sei.
Zu viele Jahre hatte die Berliner Politik kein Geld für neue Züge ausgeben wollen. Diese falsche Sparsamkeit rächt sich seit Jahren. Ein großer Teil der sogenannten Kleinprofilzüge (Linien 1 bis 4) ist bis zu 60 Jahre alt. Auch im Großprofil (Linien 5 bis 9) sind viele Züge 50 Jahre alt. Die Werkstätten kommen nicht hinterher mit der Reparatur.
Auf den Großprofil-Linien U5 bis U9 sollen die ersten neuen Züge ab Frühjahr 2026 fahren. Offenbar laufen die Tests besser als erwartet, kürzlich hatte die BVG noch Sommer 2026 genannt. Wie berichtet, hat das Land Berlin neue Züge für beide Systeme bestellt.
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Es ist der größte Auftrag in der Geschichte der BVG. Und für die Firma Stadler ist es der größte Auftrag, der jemals gewonnen wurde. Fest bestellt sind bislang jedoch nur 344 Wagen („J“) für das Großprofil und 140 Wagen JK für das Kleinprofil. Letztere reichen nicht einmal für die U2 aus.
Nur wenn Berlin Geld hat, sollen 1018 Wagen für zwei Milliarden Euro gekauft werden: 756 J für das Großprofil und 262 JK für das Kleinprofil, das sieht der Verkehrsvertrag vor. Wenn Berlin noch mehr Geld hat, könnten bis zum Jahr 2035 gut 1500 Wagen geliefert werden – so sieht es der Rahmenvertrag vor.
Offiziell gilt der Kurs „Stabilität vor Wachstum“ nun seit einem Jahr, angekündigt hatte Falk ihn bereits im Sommer 2024 im Tagesspiegel-Interview. Beim Bus sind die angestrebten 99 Prozent seit dem Sommer erreicht, allerdings bezogen auf das mehrfach reduzierte Angebot. Bei der Straßenbahn wurden in den vergangenen Monaten im Schnitt über 97 Prozent erreicht. Dies seien deutliche Steigerungen gegenüber der Zeit vor dem Kurswechsel. Die Folgen des chaotischen Streiks im Frühjahr wurden bei all diesen Zahlen herausgerechnet.
Neue Fahrzeuge auch bei Bus und Straßenbahn
Neue Fahrzeuge gibt es auch bei Bus und Tram. 2026 und 2027 werden 270 E-Gelenkbusse erwartet. Für diese baut die BVG gerade zwei neue Betriebshöfe für Batteriebusse, an der Säntisstraße in Marienfelde und an der Minna-Todenhagen-Brücke in Treptow-Köpenick. Auch diese gute Nachricht hat einen dicken Haken: Die Höfe werden mehrere Jahre zu spät fertig.
Deshalb musste Berlin sein ehrgeiziges Ziel beerdigen, den Busbetrieb bis 2030 komplett zu elektrifizieren. 2024 hatte der Senat 75 Prozent der Mittel für E-Busse gestrichen, weil die Höfe fehlen. Viele Jahre werden noch Dieselbusse fahren. Die Straßenbahn bekommt im kommenden Jahr 20 superlange Züge vom Typ Urbanliner.
2025 will die BVG 590 Millionen Euro in neue Fahrzeuge und die Erhaltung von Strecken und Infrastruktur stecken. Das sind 60 Prozent mehr als die 370 Millionen im vergangenen Jahr. All dies werde laut Konzernchef Falk den Betrieb stabilisieren.
Das größte Problem jedoch war in den vergangenen Jahren der Personalmangel. Auch hier sieht sich die BVG auf guten Weg. Bis Ende September wurden 1220 Mitarbeitende eingestellt, bis Jahresende sollen es 1500 sein. 2026 lautet das Ziel 1400 Neueinstellungen. Doch damit wird nur der Abgang der Rentner und die Fluktuation ausgeglichen.
Aber: BVG-Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe berichtete, dass die BVG jetzt leichter neue Leute finde. Im Frühjahr hatte die Gewerkschaft Verdi in einem extrem harten Arbeitskampf drastische Lohnerhöhungen für das Personal durchgesetzt.
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