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Fingerzeig. Berlins Politiker reden gerne über Bildung. Das Thema selbst verantworten will aber niemand.

© Marijan Murat/dpa

Niemand will sich um Berlins Schüler kümmern: Bildung ist nicht der Schwarze Peter!

„Verliererressort“ – so nennen Politiker, die Berlin regieren wollen, die Bildungsverwaltung. Für die Zukunft der Stadt ist das fatal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars Spannagel

Zurzeit gibt es laut offizieller Statistik 369.841 Schülerinnen und Schüler in Berlin, unterrichtet von 33.432 Lehrkräften, ermutigt von Hunderttausenden Eltern, Großeltern, Erzieherinnen und Erziehern. Alles Loser.

Dieses Gefühl muss man jedenfalls bekommen, wenn man verfolgt, was aus den Sondierungsgesprächen der koalitionswilligen Parteien SPD, Grüne und Linke nach außen dringt: Niemand will die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie freiwillig übernehmen, das böse Wort „Verliererressort“ machte die Runde. Die Zukunft der Kinder Berlins, damit auch die Zukunft der Stadt, das in Wahlkämpfen stets beschworene Thema Bildung: ein Schwarzer Peter.

Natürlich ist das Bildungsressort eine undankbare Aufgabe. Zu lange wurde hier rumgedoktert, zuletzt zehn Jahre lang von derselben Senatorin. Modernisierung, Digitalisierung, der Streit um Verbeamtungen: So viel ist liegen geblieben. Doch anstatt nun einen Neuanfang auszurufen und die Jahrzehnte alten Probleme anzupacken, scheint sich die gesamte R2G-Riege vor einer der wichtigsten Aufgaben der Stadt zu drücken.

Ich bin nur ehemaliger Berliner Schüler und heute Vater eines Berliner Schulkinds, kein Experte für Bildungspolitik. Dafür haben wir beim Tagesspiegel erfahrene und kluge Kolleginnen. Die schreiben: Was zum Thema Bildung im Sondierungspapier stehe, klinge „ziemlich unambitioniert“.

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Womöglich werde das Ressort wieder der SPD zufallen, weil die Grünen kein Interesse daran hätten. Oder, wie es jemand von den Verhandelnden formuliert: „Wer immer es macht, ist die Buhfrau für die nächsten fünf Jahre.“

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Ich habe viele Lehrerinnen und Lehrer in meinem Freundeskreis: engagierte Menschen, die Freude an ihrem Beruf haben, sich zusätzlich zu ihrem Tagespensum als Vertrauenspersonen zur Verfügung stellen, Klassenfahrten organisieren, Zeitzeugengespräche auf die Beine stellen. Viele sind froh, dass Sandra Scheeres nicht mehr ihre Senatorin ist. Aber wie wirkt es auf diese Leute, wenn kein Politiker sich um ihre Belange kümmern möchte? Motivierend bestimmt nicht.

[Lesen Sie auch: Bildungskatastrophe durch Corona: Verhaltensauffällig und abgehängt (T+)]

Die Pandemie hat Tausende Kinder in dieser Stadt in ihrer Entwicklung gebremst und zurückgeworfen, die Schere zwischen Heranwachsenden mit guten und schlechten Chancen ist weiter aufgegangen. Hier muss gehandelt werden, jetzt. Aber hey, immerhin gibt es dank Corona mittlerweile Seife auf den Schultoiletten, das war zu meiner Schulzeit nicht so. Die Kreidetafeln und Overheadprojektoren – eigentlich ein Fall fürs Museum – sind aber noch im Einsatz.

Dass in Schulen immer mal wieder Zwischendecken einstürzen, wie neulich in Friedrichshain – Alltag. Wieso nimmt man so etwas hin? Warum wollen Linke und Grüne nicht zeigen, dass sie es besser können als die SPD, die Berlins Bildung seit 25 Jahren verantwortet? Politiker betonen stets, dass sie „gestalten“ möchten, „Verantwortung übernehmen“, Dinge „positiv verändern“ wollen. Wo ist das dringender notwendig als in der Bildung, dem Augiasstall dieser Stadt, wer übernimmt diese Herkulesaufgabe?

Entschuldigen Sie bitte die altphilologische Klugscheißerei, ich habe ein humanistisches Gymnasium besucht. Klopapier gab es dort nie.

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