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Berlin: Bis aufs letzte Kleid: Räuber räumten Boutique aus

Eine Frau im beigen Ledermantel ahnt nicht, was sich tags zuvor in ihrem liebsten Klamottenladen abgespielt hat. Sie ruckelt an der Ladentür und wundert sich, dass innen alles dunkel ist.

Eine Frau im beigen Ledermantel ahnt nicht, was sich tags zuvor in ihrem liebsten Klamottenladen abgespielt hat. Sie ruckelt an der Ladentür und wundert sich, dass innen alles dunkel ist. Sonst hat das Geschäft sonnabends bis vier Uhr nachmittags geöffnet. Jetzt aber sieht es aus, als gebe es den Laden gar nicht mehr. Metallregale und Kleiderstangen hängen nackt an der Wand. Außer dem, was die drei Schaufensterpuppen tragen, ist kein Stück Stoff mehr zu sehen.

Aufkleber auf der Ladentür zeigen an, mit welchen Kreditkarten man hier bezahlen kann. Das aber hatte der Mann nicht vor, der am Freitagabend gegen 18 Uhr das Geschäft in der Karl-Marx-Straße, wenige Schritte neben der Opernpassage, betrat – und es später mit mehreren Komplizen ausräumte, bis aufs letzte Kleidungsstück. Die Dreistigkeit, mit der die Täter vorgegangen seien, habe Seltenheitswert, heißt es bei der Polizei. Ein U-Bahn-Eingang ist vis-a-vis, der Bürgersteig war wie immer belebt. Nachdem der „Kunde“ gesehen hatte, dass er der einzige ist, schlug er die 37-jährige Geschäftsinhaberin Asja K. nieder, fesselte sie und befahl ihr, auf dem Bauch liegen zu bleiben. Nun kamen die Komplizen in den Laden, schlossen die Tür ab, klebten das Schaufenster mit Papier ab. In aller Ruhe trugen sie Hosen, Röcke und Kleider durch den hinteren Eingang über den Hof heraus, vermutlich in einen wartenden Lieferwagen.

Und wenn es stimmt, was die Menschen sagen, dann hat niemand etwas bemerkt. Die Frau, die im gleichen Haus einen Geschenkeladen betreibt, sagt: „Ich habe um 18.30 Uhr wie immer abgeschlossen.“ Auch dass der Laden von Asja K. plötzlich aussah wie bei einer Renovierung, fiel ihr nicht auf. Der Hofdurchgang in dem Altbau trennt die Geschäfte. Auch die Männer im Imbiss, die von ihrem Arbeitsplatz die beste Sicht auf Asja K.s Schaufenster gegenüber haben, zucken mit den Schultern. Überfall? Nichts gesehen, nichts gehört.

Auch kein Passant schöpfte Verdacht, niemandem fiel auf, dass Männer Pakete und Kartons heraustragen. Nach Angaben der Polizei hatte der Warenbestand einen Wert von mehreren zehntausend Euro. Asja K. wurde knapp vier Stunden später von einem privaten Sicherheitsdienst bei einer Routinekontrolle gefunden. Sie hat eine leichte Prellung im Gesicht, schlimmer ist der Schock. „Das war schlimm“, sagt sie. Seit über zehn Jahren führe sie die Boutique, und nun das. Einer der Männer sprach mit slawischem Akzent, konnte sie der Kripo sagen, viel mehr ist nicht bekannt. Hinweise an die Polizei unter 4664 57 1100.

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