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Berlin: Böllern gegen das Staraufgebot

Mit Obstbauern ist derzeit nicht gut Kirschen essen: Vogelschwärme fallen über die rare Ernte her

Bornim - Erst kam der Frost, jetzt kommen die Vögel: Als hätten die Obstbauern nicht schon genug durch die Kälte Anfang Mai verloren, gibt es nun das nächste Problem. Auf die wenigen Kirschen, die derzeit an den Bäumen reifen, sind Stare besonders scharf. Obstgärtner Gerhard Neumann vom Erntegarten in Bornim hat bereits zusätzliches Personal angeheuert, um die Vögel zu verscheuchen. Acht Leute seien als Vogelscheuchen in der Plantage unterwegs.

Wer sich dem Obsthof nähert, hört es gewaltig rumsen. Sprengarbeiten? „Das sind unsere Kanonen“, sagt Neumann. Außerdem hat er Lautsprecher auf seiner Kirschplantage aufgestellt. Die grau-weißen Kästen stehen, auf Holzpfähle montiert, in regelmäßigen Abständen zwischen den Bäumen. Die Leitung, die die Lautsprecher verbindet, läuft in einer Art Wachturm zusammen. Von dort können Neumanns Leute die Geräuschkulisse per Knopfdruck bedienen. Da schallt auch schon ein lauter Vogelschrei durch die Bäume – ein Ruf, mit dem sich Stare untereinander warnen. Neumann hat ihn aufnehmen lassen – zur Abschreckung. Aber die Vögel kennen das Spiel schon. Neben einem der Lautsprecher hat sich ein Star niedergelassen und schaut scheinbar interessiert in die Baumreihen.

Schon rattert und piept es wieder los, als hätte jemand eine dieser nervtötenden Spielzeugpistolen über Lautsprecher verstärkt. Von wegen Gartenparadies. Ein paar Momente Stille, dann knallt es wieder aus der Kanone. Es ist die pure Notwehr. Nur 15 bis 20 Prozent Ernte rechnet sich Neumann bei den Kirschen in diesem Jahr aus – und die will er nicht den Staren überlassen. Der Radau wird noch durchs Geschepper komplettiert, den die menschlichen Vogelscheuchen auf ausgebeulten Töpfen veranstalten. Besonders wichtig sei das Lärmen in den Morgen- und Abendstunden, sagt Neumann: Von halb sechs bis zehn Uhr und dann wieder ab sechs bis zehn Uhr abends seien die Stare besonders aktiv. Werden die Tiere dann nicht ständig vertrieben, fliegt beim ersten Versuch ein Schwarm von bis zu 300 Vögeln auf einen Schlag auf. „500 bis 1000 Stare sind immer da“, schätzt Neumann.

Das Problem kennt auch Manfred Kleinert vom Obstgut Marquardt – selbst wenn er die Stare angesichts der allgemein ernsten Lage bei den Obstbauern derzeit für ein kleineres Übel hält. Kleinert hat der Frost sogar nur zehn Prozent der Kirschen gelassen. Nur bei den frühen Sorten, die jetzt reifen, sieht es etwas besser aus. Rund elf Hektar bewirtschaftet Kleinert mit Kirschbäumen.

Knallkanonen aus Holland, die ihre „Schüsse“ mit Zeitsteuerung in wechselnden Intervallen abgeben, sind im Obstgut Marquardt auch in Betrieb. Ab fünf, sechs Uhr früh machen seine Mitarbeiter Krach, bis abends um acht – unter anderem auch mit Vuvuzelas, deren durchdringender Ton den Fußball-Fans von der WM in Südafrika noch in quälender Erinnerung sein dürfte. „Die Geräusche müssen sich ständig ändern, sonst gewöhnen sich die Vögel daran“, weiß Kleinert. Vor Jahren habe sein Obsthof an Versuchen des Agrartechnischen Instituts Bornim teilgenommen: „Man wollte genau die Frequenz finden, für die die Stare empfindlich sind.“ Ein belastbares Ergebnis gab es offenbar nicht.

Immerhin: Lärmbeschwerden aus der Bevölkerung gebe es mittlerweile kaum noch, sagt Kleinert. „Manche sagen: Wenn es bei euch wieder knallt, wissen wir, dass die Kirschen reif sind.“

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