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Bürgerentscheid: Sieg für "Mediaspree versenken"

86 Prozent haben sich gegen die Baupläne rund um die Berliner Oberbaumbrücke im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain entschieden. Die Politiker wollen das Votum der Bürger respektieren.

Die Aussage ist deutlich, die Friedrichshain-Kreuzberger wollen das Spreeufer frei von Neubauten haben. 86,8 Prozent und damit knapp 30000 Bürger stimmten für den Antrag der Initiative „Mediaspree versenken“. Der konkurrierende Antrag der Bezirksverordnetenversammlung wurde dagegen abgelehnt. 55,5 Prozent stimmten dagegen. „Das reicht, um die Korken knallen zu lassen“, sagte Carsten Joost, Sprecher der Initiative schon um Viertel nach sieben. Zu dem Zeitpunkt hatten die 87 Wahllokale im Bezirk eine gute Stunde geschlossen. Es zeichnete sich bereits ab, dass das nötige Quorum für den Bürgerentscheid von 27400 Stimmen (15 Prozent) erreicht werden wird. Am Ende hatten knapp 35000 Anwohner teilgenommen, was einer Beteiligung von 19,13 Prozent entspricht. Bei der Abstimmung zur Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße im Januar 2007 wurde das Quorum mit 16,8 Prozent nur knapp erreicht.

Die Friedrichshain-Kreuzberger hatten den Wahltag schläfrig begonnen. Erst 9,4 Prozent Beteiligung meldete der Bezirkswahlleiter um 16 Uhr. Das änderte sich am späten Nachmittag. Das Wahllokal in der Konitzer Straße in Friedrichshain musste sogar länger offen bleiben, weil sich kurz vor Schließung um 18 Uhr noch eine Schlange vor der Tür bildete.

Die Bezirkspolitiker zeigten sich erfreut über die hohe Beteiligung. „Jetzt muss der Wille des Entscheids umgesetzt werden“, forderte Lothar Schüßler, Fraktionsvorsitzender der Linken in der BVV. Das forderte auch Andy Hehmke, SPD-Fraktionsvorsitzender, wies aber darauf hin, dass die Umsetzung „problematisch“ werden dürfte. Bürgermeister Franz Schulz (Bündnis ’90/Die Grünen) kündigte bereits an, den Wählerwillen umsetzen zu wollen (siehe Interview). Dazu soll ein Sonderausschuss aus Vertretern der Initiative „Mediaspree versenken“ und der BVV gebildet werden. Er soll die Verhandlungen mit den Investoren und Grundstückseigentümern führen. Wenn alle rechtlichen Fragen geklärt sind, könnte der Ausschuss schon am Mittwoch von der BVV beschlossen werden.

224000 Quadratmeter Bauland und eine ganze Menge Geschossfläche würden durch die geforderte Neuplanung wegfallen, hatte das Bezirksamt im Vorfeld des Entscheids berechnet. Das mache knapp 165 Millionen Euro aus, die der Bezirk vor allem als Entschädigungen an Grundstückseigentümer und Investoren zahlen müsste. Die Initiative fordert einen 50 Meter breiten Streifen für die Allgemeinheit – inklusive Platz für Bars und Parks und alles, was den leicht anarchistischen Charakter des Kreuzberger Spreeufers ausmacht. Außerdem soll nach dem Willen der Gegner deutlich kleiner und weniger autofreundlich gebaut werden als geplant. Die Bezirksverordneten wollten im konkurrierenden Antrag nur dort die Forderungen der Initiative umsetzen, wo sie keinen Schadensersatz kosten. Ein paar Hochhäuser haben sie nach Protesten bereits aus der Planung gestrichen.

Christian Meyer vom Regionalmanagement Mediaspree sah in dem Votum kein gutes Zeichen. „Wir appellieren an die Politiker, die Entwicklung der letzten Jahre nicht zu stoppen.“ Er machte weiterhin deutlich, dass keiner der Eigentümer auf sein Baurecht verzichten, sprich Schadensersatz fordern würde. Theoretisch könnte die Stadtentwicklungssenatorin und Mediaspree-Sympathisantin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die Planung an sich ziehen. Sie will sich heute dazu äußern. Für die Initiative war diese Aussicht gestern ferne Zukunft. Sie ließ um 21.30 Uhr im Yaam Club am Ostbahnhof die Korken knallen.

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