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Nicht rundum sicher. Ein Beamter, der das Parlamentsviertel eigentlich schützen sollte, beging am Mittwochabend eine Verzweiflungstat. Er überfiel maskiert und bewaffnet die Postfiliale im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (im Bildhintergrund). Spielschulden sollen das Motiv gewesen sein. Die Debatte um die Sicherheit der Bundesbauten ist damit neu entbrannt. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Berlin: Bundestagspolizist überfällt Postfiliale des Parlaments

Vorfall löst Debatte um Sicherheitsvorkehrungen aus 48-Jähriger nimmt sich in Kaulsdorf das Leben

Meterhohe Wände aus Panzerglas, eine Sicherheitsschleuse, bei der man wie am Flughafen durchleuchtet wird, und Sicherheitsbeamte – wer in das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in der Adele-Schreiber-Krieger-Straße am Spreebogen möchte, muss sich ausgiebigen Kontrollen unterziehen. Für die Öffentlichkeit ist das Parlamentsgebäude, in dem Abgeordnete sitzen und die Bundestagsbibliothek sowie wissenschaftliche Dienste untergebracht sind, nur schwer zugänglich.

Erstaunlich, dass ein Maskierter am Mittwochabend die Post im Marie- Elisabeth-Lüders-Haus ausrauben konnte. Laut Polizei hat ein Bundestagspolizist den Überfall verübt. Der 48-Jährige sollte in der Poststelle für Sicherheit sorgen. Nun wird diskutiert, inwieweit Sicherheitsleute selbst zu einem Sicherheitsrisiko werden können.

Die Sicherheitsbeauftragte und Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, forderte gestern eine Überprüfung des Sicherheitsdienstes. Wir müssen nicht nur überprüfen, wer ins Parlament reinkommt, sondern auch, wer bereits im Haus ist.“ Man müsse nach dem Vorfall überlegen, ob bei der Personalauswahl nachzubessern sei.

Die Polizisten des Bundestags haben Zugang zu allen vom Parlament und dessen Verwaltung genutzten Räumlichkeiten. Die Bundestagsverwaltung, zu der auch die Bundestagspolizei gehört, sieht nach dem Überfall dennoch keinen Grund, an der Zuverlässigkeit ihrer Polizeitruppe zu zweifeln. Es gebe keine Überlegungen, das eigene Personal angesichts des besonders sensiblen Sicherheitsbereiches, in dem es tätig ist, schärfer zu kontrollieren, hieß es. Für die Bundestagspolizisten gelten die gleichen Einstellungsüberprüfungen wie für die Landespolizei. Es gibt persönliche Gespräche, das polizeiliche Führungszeugnis wird eingesehen, Vorstrafen können ein Hinderungsgrund sein. Nach der Einstellung gibt es keine späteren Checks mehr. Private Schutzdienste werden in Gebäuden des Bundestages aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht eingesetzt. Bundestagspräsident Norbert Lammert, zuständig für die Polizei im Bundestag, war zu dem Vorfall gestern nicht zu sprechen.

Am Mittwoch um 19 Uhr hatte der Polizist mit einer Papiermaske vor dem Gesicht und mehreren Waffen die Post betreten und eine 42-jährige Angestellte mit einer Pistole bedroht. Als sie der Forderung nach Geld nur zögerlich nachkam, schlug er ihr mit der Waffe auf den Hinterkopf, verstaute die Beute und floh. Die Frau kam mit Platzwunden und Prellungen ins Krankenhaus.

Die Leiche des 48-Jährigen wurde Donnerstag am Butzer See in Kaulsdorf von Spaziergängern entdeckt. Anhand des Bargelds, der Maske und Pistole konnte die Polizei den Mann als Täter identifizieren. Sein Kopf wies eine tödliche Schussverletzung auf. Die Polizei nimmt an, dass der Mann sich selbst getötet hat. Nach Informationen des Tagesspiegels war er spielsüchtig, hatte Schulden. Die Bundestagsverwaltung erklärte, der Polizeihauptmeister sei im Dienst stets tadellos gewesen.

Bereits im August 2010 war die Bundespolizei ins Blickfeld geraten. Damals bemerkten Beamte ein Auto, das in der Nähe des Paul-Löbe-Hauses in die Spree gestürzt war, erst im Nachhinein bei einer Routinekontrolle. Dabei sollten sie das Gebäude rund um die Uhr bewachen.

Diskutiert wird immer wieder, inwieweit man das hohe Sicherheitsbedürfnis des parlamentarischen Viertels mit dem Anspruch überein bringen kann, es für die Bürger zu öffnen. Besonders nach der Sperrung der Reichtagskuppel wegen der Terrorwarnungen Ende 2010 war dies ein Thema. Besucher dürfen nun wieder nach Voranmeldung in die Kuppel. Für den Reichstag selbst und alle anderen Liegenschaften des Bundestages braucht man aber eine Zutrittsberechtigung. Die erteilen die Pförtner, wenn man einen Termin im Haus hat. Ansonsten erhalten Abgeordnete und Mitarbeiter des Bundestages Berechtigungen, außerdem Lobbyisten, falls ein Fraktionschef für sie bürgt.

 C. Stollowsky[F. Jansen], B. Stephan[F. Jansen], C. Tretbar

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