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Tarifstreit: Charité-Ärzte im Streik

Die Ärzte der Berliner Charité sind im Streik. Mit dem Ausstand an Europas größtem Universitätsklinikum reagieren die rund 2200 Mediziner auf das Scheitern der Tarifverhandlungen.

Berlin - Aus Frust über ihre Arbeitsbedingungen sind in Berlin mehrere hundert Klinikärzte der Charité in einen einwöchigen Streik getreten. Rund 750 Mediziner zogen in weißen Kitteln von Europas größtem Universitätsklinikum bis zum Roten Rathaus. Sie forderten unter anderem einen Haustarifvertrag, die Bezahlung von Überstunden und den Verzicht auf den Abbau von Ärztestellen. Die Charité-Mediziner streiken erstmals seit der Wiedervereinigung. Sie sehen die Probleme an der Klinik als Präzedenzfall für die deutsche Hochschulmedizin und andere Krankenhäuser.

Bei den insgesamt 2300 Charité-Ärzten sitzt der Frust tief: Sie leisten nach eigenen Angaben durchschnittlich 85 000 unbezahlte Überstunden im Monat. Außerdem seien die Einkommen junger Ärzte von 1993 bis 2002 um 7,5 Prozent gesunken. Bei der Demonstration trugen die Mediziner Transparente mit Aufschriften wie «Geiz ist Geil» oder «Mit Feierabendforschung zum Nobelpreis» vor sich her. Trotz des Streiks wollen die Charité-Ärzte für Patienten in Notlagen eine Notfallversorgung sicherstellen.

Der Charité-Vorstand will eine offene Konfrontation mit den streikenden Klinikärzten vermeiden. «Unser Ziel ist weiterhin, einen Hausvertrag mit den Ärzten abzuschließen», sagte Klinikdirektor Behrend Behrends am Montag. Die derzeitige Situation sei nicht hausgemacht, sondern resultiere in erster Linie aus der Gesundheitspolitik des Bundes und dem Sparzwang des Landes. «Was in Deutschlands Kliniklandschaft passiert, zeigt sich an der Charité wie in einem Brennglas», sagte Charité-Vorstandschef Detlev Ganten.

Hauptproblem sei die Unterfinanzierung der Kliniken, betonte Ganten. Bis 2010 muss allein die Charité nach Vorstands-Berechnungen 266 Millionen Euro einsparen. Das Land kürzte 98 Millionen für Forschung und Lehre. Auch durch die Einführung der Fallpauschalen für Krankenhäuser fehlten der Einnahmen in Millionenhöhe. «Wir haben hier eben keine Blinddarm-Operationen, sondern schwierige Fälle», ergänzte Ganten.

Über einen Haustarifvertrag konnten sich Vorstand und Ärzte bisher nicht einigen. Weitere Gehaltskürzungen sowie Stellenabbau gehen den Medizinern zu weit. Gehaltserhöhungen von 30 Prozent, wie sie der Marburger Bund fordert, halten allerdings beide Seiten für zu hoch. Seit 2003 gibt es an der Charité keinen Tarifvertrag mehr. Rund 2000 Ärzte dürfen seit Mitte November rechtlich gesehen in den Streik treten.

«Ich bin nicht froh, dass die Ärzte streiken. Aber ich nehme an, dass es ihnen auch schwer gefallen ist», sagte Klinikdirektor Behrends. Die Berliner Charité ist mit rund 13 000 Mitarbeitern Europas größtes Universitätsklinikum. Sie hat 3240 Betten und 8000 Studenten. (tso/dpa)

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